Donnerstag, 21. November 2024

Wundertüten für Erwachsene: Das Glücksspiel mit den Mystery-Boxen

Mann guckt in Kiste Die Mechanismen beim Kauf von Mystery-Boxen ähneln denen, die zum Glücksspiel anregen (Quelle:Shutterstock)

Mystery-Boxen aus dem Internet erleben seit geraumer Zeit einen Boom. Für einen Festpreis sichern sich Käufer Pakete unbekannten Inhalts. Ganz nach dem Vorbild von Wundertüten für Kinder kann das Ergebnis Freude oder herbe Enttäuschung hervorrufen.

In einem aktuellen Beitrag der Süddeutschen Zeitung (SZ) erklärt der Marketing-Wissenschaftler Marko Sarstedt, was für viele Käufer den Reiz der Überraschungskäufe ausmache: Die Mechanismen ähnelten denen des Glücksspiels.

Wundertüten für Erwachsene

Seit einigen Jahren findet das Wundertüten-Prinzip auch unter Erwachsenen vermehrt Verbreitung. Nach und nach erwärmten sich immer mehr Händler und Unternehmen für die Idee, Konsumenten Überraschungen anstelle von Produkten zum Kauf anzubieten.

Unter der moderneren Bezeichnung Mystery-Box (dt. Geheimnisvolle Schachtel) wecken unter anderem große Elektromärkte und Online-Warenhäuser die Hoffnung, zufällig attraktive Produkte zum kleinen Preis zu erhaschen.

Das Prinzip der Mystery-Box ist nicht neu. Bereits im Nachkriegsdeutschland kauften Kinder und Eltern für wenige Pfennige blickdichte Papiertüten. In diesen fanden sich nach dem Aufreißen Kleinigkeiten wie Süßigkeiten, Spielzeuge, Sammelkarten und Briefmarken. Mindestens so wichtig wie der Inhalt war dabei das Überraschungsmoment. Der Erfolg der auch heute noch nahezu flächendeckend in Kiosken erhältlichen Wundertüte beruht vor allem auf den Faktoren Hoffnung und Spannung.

Oft, wenn nicht sogar in den meisten Fällen, bleibt der Inhalt einer Mystery-Box jedoch deutlich hinter den Erwartungen zurück. Statt wie suggeriert das Neueste und Beste finden sich in den Paketen oft Restposten, deren Ursprungspreis für die Händler schon lange nicht mehr abrufbar ist.

Experte: Mystery-Boxen als Pause vom Alltag

Warum die Überraschungsboxen für Erwachsene sich trotz des teils enttäuschenden Inhalts großer Beliebtheit erfreuen, erläutert Marko Sarstedt, Professor für Marketing an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, aktuell der SZ gegenüber.

Generell sei zwischen zwei Käufertypen zu unterscheiden, so der Wissenschaftler. Der eine versuche vordringlich, Verluste zu vermeiden und setze deshalb bei seinen Käufen auf Sicherheit. Der andere konzentriere sich auf potenzielle Gewinne und sei deshalb bereit, auch Risiken einzugehen. Letzterer zeige oft auch Interesse an Mystery-Boxen.

Hierzu erklärt Sarstedt:

Das ist ähnlich wie beim Glücksspiel. Allein die Erwartungshaltung, etwas Tolles in der Tüte vorzufinden, schüttet Glückshormone aus (…) Im durchgeplanten Alltag schafft man sich so ein paar seltene Überraschungselemente.

Neben dem durchaus attraktiven Thrill für Konsumenten sieht Sarstedt in den Mystery-Boxen auch einen Nachhaltigkeitsgedanken verwirklicht. So könne durch das Befüllen der Überraschungspakete durchaus der Vernichtung von Restposten entgegengewirkt werden. Zugleich drohe jedoch auch die Verschiebung des Problems. So sei davon auszugehen, dass auch die Empfänger den Inhalt ihrer Boxen in den Müll beförderten, falls er ihnen nicht zusage.

Generell dürfte beim Kauf von Mystery-Boxen das Gleiche gelten wie an der Losbude auf dem Jahrmarkt oder beim Glücksspiel im Casino: Wer nicht weiß, was genau er für sein Geld erhält, sollte nicht mehr investieren, als er zu verlieren bereit ist.