Wetten durch die Hintertür: Umgeht Buchmacher Betfair Richtlinien durch Offshore-Netzwerke?
Erlaubt Betfair-Betreiber Flutter Entertainment den anonymen Zugang zu seinen Angeboten – über Umwege? Dies legt ein Bericht der Financial Times nahe. Über ein Netz von Agenturen und Partnerwebseiten, so die Recherchen, sollen ausländische Spieler an Betfair-Wetten teilnehmen können, ohne die vorgeschriebenen Identitätschecks und Geldwäschekontrollen durchlaufen zu müssen.
Anonymes Glücksspiel auf Umwegen?
Umgeht betfair mit Offshore-Netzwerken die Regularien der britischen Glücksspielaufsicht? (Quelle:flickr.com/R4vi, licensed under CC BY-SA 2.0)
Laut einem Bericht der Online Ausgabe der britischen Financial Times (Seite auf Englisch) scheinen die strengen Regeln der britischen Gambling Authority in Bezug auf Online-Buchmacher nicht überall Anwendung zu finden.
Im Zuge einer großangelegten Recherche über die Graubereiche des Glücksspiels wollen die Reporter eine Hintertür im System „Betfair“ entdeckt haben:
Offshore-Wettagenturen sollen Spieler an Betfair-Partnerseiten weiterleiten. Diese Klons seien direkt mit dem offiziellen Betfair Exchange-Angebot verbunden. So sei es möglich, völlig anonym Wetten bei dem britischen Buchmacher zu platzieren. Auch der Ursprung der eingesetzten Beträge sei nicht nachvollziehbar.
Sollten die Recherchen zutreffen, könnte es sich um ein klassisches Einfallstor für Geldwäscheaktivitäten im großen Stil handeln.
Von der Financial Times mit den Recherchen konfrontiert, erklärte Betreiberfirma Flutter Entertainment, in seinem Netzwerk besonderen Wert auf die Einhaltung aller geltenden Bestimmungen zu legen:
Unsere B2B-Partner sind allesamt lizensierte Betreiber, die hohe Verifizierungsstandards einhalten. Bevor wir eine Zusammenarbeit eingehen,, unterziehen wir die B2B-Partner, ebenso wie die verbundenen Parteien und ihre zugehörigen Betriebslizenzen intensiver Prüfung. (…) Als lizensierte Anbieter halten sich alle unsere Partner daran, die von ihren lokalen Behörden vorgegebenen Identitätsprüfungen durchzuführen.
Zudem, so das Unternehmen, seien die B2B-Partner dazu verpflichtet, Betfair auf Anfrage alle relevanten Kundendaten zur Verfügung zu stellen.
Nur ein Zufall? Identische Wetten
In ihrer Recherche nutzten die FT-Reporter eine einfache Emailadresse, um einen Account bei der Glücksspielagentur AsianConnect88 einzurichten. Das in Curaçao ansässige und von der dortigen Glücksspielbehörde lizensierte Unternehmen versteht sich als Broker, der Spieler an Online-Buchmacher vermittelt.
Der Zahlungsverkehr findet zwischen AsianConnect88 und dem Spieler statt. Die Transaktionen werden via E-Wallet vollzogen.
Laut FT-Bericht habe AsianConnect den Reportern umgehend Zugangsdaten zu einer Seite namens 9wickets zur Verfügung gestellt. Diese agiert als B2B-Partner von Wettanbieter Betfair und bildet die Daten der Wettplattform Betfair Exchange ab.
Test mit „Miss Recycled“
Unter einem anonymen Nutzernamen, so der FT-Bericht, habe man auf 9wickets eine Wette platziert: Mit einer Quote von 250-1 setzten die Journalisten auf „Miss Recycled“, eine krasse Außenseiterin eines Pferderennens in Brighton.
Auffällig sei gewesen, dass zeitgleich eine identische Wette auf der Betfair-Hauptseite eingegangen sei.
Tatsächlich gewann Miss Recycled das Rennen und bescherte den Reportern bei kleinem Einsatz eine Auszahlung von knapp 2.000 Pfund Sterling.
Die Betfair Exchange wurde 1999 gegründet und fungiert als sogenannte Wettbörse. Der größte Unterschied zu vielen herkömmlichen Buchmachern ist, dass nicht nur auf Ereignisse gesetzt werden kann, sondern auch gegen sie. Die Plattform wird von Flutter Entertainment betrieben. Der britische Anbieter betreut rund sechs Millionen Kunden weltweit und hat einen Börsenwert von rund 4,8 Milliarden Pfund Sterling.
Um der Frage nachzugehen, inwieweit die auf Betfair dargestellte Außenseiterwette identisch mit der der Reporter von 9wickets gewesen sein könnte, bat man Betfair-Betreiber Flutter um die Veröffentlichung des glücklichen Gewinners.
Die Firma lehnte mit Hinweis auf Datenschutzbestimmungen ab.
Ein weitverzweigtes Netz
Diverse B2B-Partner von Betfair sind Inhaber von Glücksspiellizenzen aus Curaçao (Quelle:curacao-egaming.com)
Laut FT-Bericht arbeiten neben dem von den Reportern genutzten Vermittler AsianConnect mindestens ein Dutzend weitere Agenturen auf ähnliche Weise. Auch sie sollen Kunden auf Webseiten leiten, die das Angebot von Betfair Exchange spiegeln.
Hierzu gehörten unter anderem die Seiten AB Exchange und Betchips. Ebenso wie 9wickets werben sie mit dem Siegel „Unterstützt von Betfair“. Der Zugang zu diesen Klonseiten soll meist nicht direkt, sondern nur über Agenturen und Broker möglich sein. Aus Großbritannien heraus sind die Anbieter auf herkömmlichem Wege nicht zu erreichen.
Interessant hingegen dürfte ein solches Modell für Spieler in Ländern sein, in denen Teilnahmen an Online-Wetten verboten und entsprechende Seiten flächendeckend gesperrt sind.
So erhielten die FT-Reporter auf Anfrage im Kundenservice-Chat einer der Partnerseiten die Information, dass es möglich sei, einen Betfair-Account für indische Kunden einzurichten. Eine Identitätsprüfung sei hierfür nicht nötig.
Mehrfach-Accounts bei Betfair?
Eine weitere Auffälligkeit identifizierten die FT-Reporter eigenen Angaben zufolge auf der Betfair-Hauptseite. So war es ihnen möglich, mit denselben Userdaten, die sie bei der Anmeldung auf 9wickets genutzt hatten, einen Account auf Betfair Exchange anzulegen.
Sollte es eine direkte Übertragung von 9wickets zu Betfair geben, würde dies bedeuten, dass einzelne Personen mehrere Konten bei dem Buchmacher führen können. Ein weiterer Umstand, der britischen Regularien zufolge nicht erlaubt wäre.
Dank der Recherchen der Financial Times dürften Buchmacher Flutter erneut stürmische Zeiten ins Haus stehen. Immer wieder gerät das Unternehmen, das ehemals als Paddy Power Betfair bekannt war, mit der britischen Glücksspielaufsicht in Konflikt. Die neuesten Enthüllungen werden wohl kaum zu einer Entspannung der Lage beitragen.