Websperren: Werden Online Casinos bald auch in Deutschland blockiert?
Viele Länder setzen darauf, nicht lizensierten Online Casinos u.a. durch Geo-Blocking die Kundschaft und somit den Nährboden zu entziehen. Laut Medienberichten prüft auch die für das Glücksspiel zuständige Ministerpräsidentenkonferenz diese Möglichkeit. Eine EU-Studie stellt den Erfolg solcher Maßnahmen nun in Frage.
Vorbild Schweiz? Regulierungsbehörde setzt sich durch
Eines der Länder, das im Kampf gegen den Wildwuchs im Sektor der Online Casinos bereits ernst gemacht hat, ist die Schweiz:
Die Schweiz setzt ihr neues Glücksspielgesetz rigoros um (Quelle:Flickr.com/Frerk Meyer)
Im Zuge des zu Beginn dieses Jahres in Kraft getretenen neuen Geldspielgesetzes wurden internationale Betreiber von Online Casinos, die bislang keine der heiß begehrten Schweizer Lizenzen erhalten hatten, aufgefordert, ihre Seiten für Schweizer Kunden unzugänglich zu machen.
Bei Zuwiderhandlung drohen den Anbietern empfindliche Strafen und die Aussicht, niemals auf dem lukrativen Schweizer Markt operieren zu dürfen. Branchenschwergewichte wie Mr. Green, NetBet und Partypoker kamen den Vorgaben nach: Ihre Seiten sind für die Eidgenossen nicht mehr erreichbar bzw. bieten für Schweizer keine Möglichkeit mehr, sich zu registrieren.
Angeblich prüft eine Arbeitsgruppe der Ministerpräsidentenkonferenz ähnliche Schritte für den deutschen Markt. Bleiben die Regierungschefs der Länder inhaltlich auf der Linie des derzeit gültigen Glücksspielstaatsvertrags und untersagen weiterhin den Betrieb von Online Casinos, könnte die Einführung von Sperren theoretisch zum Ende von Online Casino- und Pokerseiten in Deutschland führen.
Praktisch scheinen die Maßnahmen, so beliebt sie bei Regulierungsbehörden sind, aber deutlich weniger effektiv zu sein, als so mancher Gesetzeshüter sich wünschen würde, wie ein Bericht der Europäischen Kommission nahelegt.
EU-Bericht: Ernüchternde Erkenntnisse
Der kürzlich veröffentlichte englischsprachige Report (Link auf Englisch) „Evaluation of Regulatory Tools for Enforcing Online Gambling Rules and Channeling Demand towards Controlled Offers“ zeigt auf 165 Seiten auf, wie europäische Staaten technische Instrumente einsetzen, um Nutzern den Zugriff auf bestimmte Glücksspielangebote im Internet zu verwehren.
Derzeit gibt es drei Arten der Sperren, die meist genutzt werden, um User am Aufruf nicht-lizensierter Online Casinos zu hindern:
Beim Geoblocking sperrt der Seitenbetreiber selbst sein Angebot für Abrufe aus bestimmten Regionen. Anhand seiner IP-Adresse kann der Standort des Internetnutzers im Normalfall bestimmt werden und wird an den Seitenbetreiber übermittelt. Dieser hat die Möglichkeit, IP-Adressen mit von ihm bestimmten Merkmalen am Besuch seiner Seite zu hindern.
Besonders weit verbreitet sind DNS-Sperren. Ein DNS (Domain Name Service) -Server übersetzt die Namen von Websites in für Computer lesbare Netzwerkadressen. Bei Sperren übersetzen die DNS-Server von Internetanbietern bestimmte Eingaben nicht mehr, sodass die Seite nicht auf normalem Wege abgerufen werden kann.
Bei IP-Sperren wird der gesamte Zugriff auf die IP-Adresse des Servers, auf dem die zu blockierende Seite liegt, gesperrt. Hierbei werden alle unter der IP-Adresse des Servers registrierten Seiten geblockt, unabhängig von ihrem Inhalt.
Laut Bericht der EU nutzen derzeit 18 Staaten des europäischen Wirtschaftsraums Sperren von Glücksspielseiten, vier Länder ziehen solche Maßnahmen in Betracht, 12 Mitglieder verzichten komplett auf das Blockieren von Glücksspiel-Websites, darunter Deutschland. Von den Staaten die Internetsperren eingerichtet haben, nutzen zwölf ausschließlich das DNS-Blocking, zwei setzen auf IP-Sperren, die übrigen variieren die Maßnahmen.
Blacklist mit über 7000 Einträgen
Weiterhin fand die Studie heraus, dass von den Domains, die sich auf den Blacklists der Staaten befinden, insgesamt 19 % nicht mehr aktiv sind. Besonderes Augenmerk legen die Verfasser auf die Zahlen von Italien:
Mit über 7000 Domains hat das EU-Mitglied nicht nur die umfangreichste Liste von blockierten Seiten, ganze 63 % von ihnen sind im Ruhezustand oder bereits gelöscht. Den Gegenpol bildet Slowenien, auf dessen Blacklist sich lediglich neun Angebote zum Internet-Glücksspiel finden. Das Land legt hohe juristische Hürden an das Blockieren von Seiten an.
Abgesehen vom Blockieren der Seiten nutzen sieben Länder Instrumente zum Blockieren finanzieller Transaktionen von Online Casinos. In den meisten der Fälle richten sich die Maßnahmen gegen Kreditkartenfirmen und Banken.
Auch Zahlungsdienstleister wie PayPal oder Skrill werden belangt, sollten sie mit nicht-lizensierten Online Casinos zusammenarbeiten. Hierbei werden oft die Accounts der Betreiber gesperrt bzw. bestimmte Transaktionen unterbunden.
Wo ein Wille, da ein Weg
Auffällig ist, dass nur vier der in dem Bericht untersuchten Staaten ihre Sperrmaßnahmen im Nachhinein auf Erfolg untersucht zu haben scheinen. Und auch ihre Erkenntnisse dürften für Ernüchterung gesorgt haben. So fand die Glücksspielbehörde von Estland heraus, dass mindestens ein Drittel der Nutzer, die auf der Seite eines Online Casinos darüber informiert wurden, dass ihnen dieses Angebot nicht zur Verfügung stünde, umgehend versucht hätten, die Sperre zu umgehen.
Oft bedarf es keiner speziellen Kenntnisse, um Sperren zu umgehen (pixabay.com/geralt)
Etwas erfolgversprechender waren Landing-Pages, die die Nutzer mit Informationen zu legalen Alternativangeboten versorgt hätten. Hier sei es teilweise gelungen, die Besucher umzuleiten, so der Bericht.
Nach derzeitigem Kenntnisstand ist der Erfolg von Internetsperren im Kampf gegen illegale Online Casinos mehr als fraglich. Denn abgesehen von juristischen und moralischen Fragen zu Verbraucherschutz und Freiheit im Internet ist es mittlerweile auch technisch nicht sehr versierten Usern nach kurzer Recherche möglich, sich Zutritt zu offiziell gesperrten Seiten zu verschaffen.
Sollten die Berichte über eine geplante Einführung von Internetsperren von Online Casinos in Deutschland zutreffen, bleibt zu hoffen, dass diese mit einer vernünftigen Regelung zum Umgang mit dem Glücksspiel im Internet einhergeht.
Andernfalls ist zu befürchten, dass sich das Problem nur weiter in die Tiefen des Netzes verlagert, wo Spieler- und Jugendschutz noch weniger kontrolliert werden können als im heutigen unregulierten Markt.