Verbot von Glücksspiel-Werbung bei Sportübertragungen im britischen Fernsehen?
In Großbritannien formiert sich eine breite Bewegung zur Beschränkung der Werbung von Glücksspiel-Unternehmen rund um die TV-Übertragung von Sportereignissen. Zu den Initiatoren des Vorhabens gehören Vertreter sämtlicher Parteien, der Kirche und von Spielschutz-Organisationen.
Die Initiatoren argumentieren, dass die Werbung grundsätzlich zum Spielen und damit auch zu problematischem Spielverhalten animiere. Deshalb müsse sie reduziert oder verboten werden, insbesondere zu Zeiten, in denen jüngere Zuschauer vor dem Fernseher sitzen.
Verbot rund um die Übertragung von Sportereignissen
Ein Vorbild der Initiative ist Italien, wo Glücksspiel-Unternehmen derartige Werbemaßnahmen jüngst untersagt wurden. Politiker der oppositionellen Labour Partei im Vereinigten Königreich hatten daraufhin die Option vorgeschlagen, Werbespots während der Übertragung von Sportereignissen zu verbieten.
In Anlehnung an das Modell Australiens wird aktuell eine noch schärfere Variante diskutiert. Dort sind sämtliche Werbemaßnahmen von Buchmachern in der Zeit von einer Stunde vor Sendungsbeginn bis einer Stunde nach Ende des Events verboten. Die Maßnahme erfolgte nicht ohne Grund, denn Australien ist besonders von der grassierenden Glücksspiel-Sucht seiner Bewohner betroffen.
Der konservative Politiker Lord Chadlington hat das Vorhaben am Montag zusammen mit Vertretern der Labour Partei, der Liberal-Demokraten und schottischen Nationalisten sowie der Kirche von England vorgetragen. Lord Chadlington kleidete seine Hoffnung in einen Vergleich:
Vielleicht werden meine Enkelkinder einmal auf diese Epoche mit der gleichen Fassungslosigkeit schauen, mit der wir auf die Zeit blicken, in der Zigarettenwerbung im Fernsehen allgegenwärtig war.
Live-Wetten im Zentrum der Kritik
Dabei sind den Initiatoren besonders die häufig angepriesenen Live-Wetten auf gerade gezeigte Spiele ein Dorn im Auge, da sie die Gefahr einer Spielsucht fördern. Britische Wissenschaftler schätzen, dass es im Lande rund zwei Millionen Menschen mit einem problematischen Spielverhalten gibt und etwa 430.000 Betroffene wegen Spielsucht bereits behandelt werden. Diese und jüngere Leute generell würden von den Angeboten der Buchmacher besonders leicht verführt.
Live-Wetten – in Echtzeit tippen
In Großbritannien ist das Format der Live-Wetten besonders populär. Bei ihnen kann während einer Partie oder eines Rennens direkt auf diverse Ereignisse getippt werden.
Das beinhaltet nicht nur das Ergebnis, sondern bei einem Fußballspiel beispielsweise auch die Anzahl der Ecken, Tore eines Spielers oder vergebene gelbe Karten. Die Buchmacher haben die Popularität erkannt und vermarkten sie während der TV-Übertragungen intensiv durch Werbespots.
Da Live-Wetten zu einer sofortigen Handlung aufrufen, werden sie von Experten als bedeutender Auslöser für problematisches Spielverhalten eingestuft. Nicht zuletzt deshalb ist das Format in Deutschland verboten.
Auch Branchenvertreter für Einschränkung der Werbung
GVC gehört zu den größten Buchmachern im Lande (Bild: gvc-plc.com)
Die Initiative erhält Unterstützung von ungewohnter Seite. So hat sich Kenny Alexander, Geschäftsführer der GVC Holding, der Besitzerin von Großbritanniens größtem Sportwetten-Anbieter Ladbrokes Coral, am Wochenende in einem Interview mit der Londoner Zeitung The Times für ein Ausstrahlungsverbot von TV-Spots der Glücksspiel-Industrie ausgesprochen.
Er erklärte, dass eine Verbannung der Clips in der Zeit vor 21.00 Uhr dazu beitragen könnte, den Anteil „aggressiver und verantwortungsloser“ TV-Spots zu reduzieren. Es seien gerade die Zuschauer der jüngeren Generation, die unter den für sie potentiell schädlichen Einfluss der Werbung gerieten; ganz egal, „ob sie bereits spielen dürfen, oder erst in zwei Jahren“.
Alexander rief die Konkurrenten von Anbietern wie William Hill, Bet365 oder Paddy Power dazu auf, in Bezug auf eine freiwillige Beschränkung zusammenzuarbeiten. In dem Fall könnten die Änderungen bis zum Ende des Jahres umgesetzt werden. Alexander sagte:
Die meisten Verantwortlichen in der Glücksspiel-Branche denken, dass es viel zu viel Werbung gibt. (…) In der Zeit bis 21.00 Uhr sehen insbesondere die Jüngeren zu, die am anfälligsten für die Werbung sind. Wir sollten deshalb alle gemeinsam Lösungen vorantreiben, die vielleicht schwierig erscheinen. (…) Es kann unsere Geschäfte beeinflussen, aber wenn sich alle daran beteiligen, wird es alle in der gleichen Art und Weise treffen. (…) Sonst liegt es an der Regierung, ob sie in diesem Bereich Regulierungen einführt.
Sein Anliegen will Kenny Alexander auch bei künftigen Anhörungen des Parlaments vertreten. Damit will er verdeutlichen, dass die Glücksspiel-Branche durchaus den Ernst der Probleme von problematischem Spielverhalten erkannt hat und sich um Besserung bemüht.
Die Aussagen über das hohe Werbeaufkommen werden auch von Daten und Untersuchungen unterstützt. So haben sich die Werbeausgaben der Buchmacher innerhalb von fünf Jahren um 63 % gesteigert und liegen nun bei 312 Millionen Pfund.
Eine von der Zeitung The Guardian in Auftrag gegebenen Studie nach der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland stellte zudem fest, dass die TV-Konsumenten im Verlauf des Turniers Glücksspiel-Werbung präsentiert bekamen, die eine Länge von annähernd 90 Minuten hatte. Damit sahen sie für die Dauer eines ganzen Fußballspiels TV-Clips für Sportwetten und Co.
Kritik am Verbot von TV-Spots
An Alexanders Aussage und dem gesamten Konzept des Werbeverbots regt sich jedoch bereits Kritik. So wird bemängelt, dass vor allem kleinere Anbieter unter einem Verbot leiden würden, da die großen Buchmacher bereits über ihre Ladengeschäfte und online über eine große Präsenz verfügten. Kleine Glücksspiel-Betreiber seien deshalb viel stärker auf Werbemaßnahmen zur Förderung ihres Bekanntheitsgrades angewiesen.
Ein weiterer Kritikpunkt besagt, dass die Beschränkung lediglich dem unregulierten Glücksspiel Vorschub leistet. Es seien schließlich die Anzeigen und TV-Spots, mit denen die lizensierten Anbieter Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Wenn dies nicht geschieht, entsteht den im Graubereich operierenden Buchmachern ein Vorteil, da die Werbung ihrer regulierten Konkurrenz wegfällt.