GlüStV 2021: NRW-Landtag hört am 1. März Experten an
Im Rahmen der Beratungen zur neuen Glücksspielregulierung widmet sich der Hauptausschuss des Landtags NRW morgen der Anhörung von Sachverständigen. Sie sollen den Parlamentariern einen besseren Überblick über Für und Wider des bereits von Ministerpräsident Armin Laschet unterzeichneten Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV 2021) ermöglichen.
Laut Tagesordnung sollen sich zunächst Vertreter der Wissenschaft und Betroffene zum Thema „Sucht“ äußern, danach kommen die Interessenverbände zu Wort. Schriftliche Stellungnahmen mehrerer Beteiligter sind bereits über die Seite des Landtags abzurufen.
Stellungnahmen zum GlüStV 2021: Keine Überraschungen
Um die Inhalte des GlüStV 2021 in NRW anwenden zu können, ist auch die Zustimmung des Parlaments zu dem Gesetz zur Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags 2021 erforderlich. Zu den Inhalten der Vorlagen sollen die Sachverständigen morgen Stellung nehmen.
In den Prozess der Verbändeanhörung des Hauptausschusses des Landtags NRW eingebunden sind laut Verteiler 22 Stellen unterschiedlicher Bereiche.
Hierzu gehören unter anderem der NRW-Datenschutzbeauftragte und Suchtexperten wie der Fachverband Glücksspielsucht e.V.
Ebenfalls mit an Bord sind Wissenschaftler mit Schwerpunkt Glücksspiel mehrerer Universitäten. Die Expertise zum terrestrischen Glücksspiel kommt unter anderem vom Die Deutsche Automatenwirtschaft e.V.
Weiterhin sind Vertreter des Online-Glücksspiels, wie der Deutscher Online Casinoverband e.V., und der Werbewirtschaft, beispielsweise der VAUNET – Verband Privater Medien e. V., eingebunden. Auch der Deutsche Spielbankenverband (DSbV) sitzt in Düsseldorf mit am Tisch.
In den bereits vorliegenden Stellungnahmen bekräftigen einzelne Akteure ihre bereits zuvor geäußerte Haltung.
Spielsuchtexperten fordern klare Grenzen
In ihren Stellungnahmen kritisieren der Fachverband Sucht, der Fachbeirat Glücksspielsucht und der Fachverband Glücksspielsucht unter anderem, dass die geplante bundesweite Glücksspiel-Aufsichtsbehörde voraussichtlich erst im Jahr 2023 vollständig ihre Aufgaben erfüllen könne.
Vielmehr müsse diese jedoch vor Öffnung des Marktes für Online-Glücksspiel einsatzbereit sein, so die Vorsitzende des Fachverbands Glücksspielsucht Ilona Füchtenschnieder-Petry, denn:
Es ist inzwischen hinlänglich bekannt, dass Glücksspielanbieter nicht dazu neigen, Gesetze buchstabengetreu zu befolgen. Vielmehr ist zu erwarten, dass sie sich mit Unterstützung spezialisierter Anwälte gegen jede Form der Beschränkung zur Wehr setzen und (nicht zu vermeidende) Unschärfen oder Lücken in der Gesetzgebung für sich nutzen werden.
Auch die Vorgaben zu Einzahlungslimits beim Online-Glücksspiel erscheinen den Experten nicht weitreichend genug, da diese mit 1.000 Euro im Monat zu hoch angesetzt seien.
Aus diesen und weiteren Gründen wünschten sie sich eine Entscheidung gegen den GlüStV 2021. Vielmehr empfehle man NRW, den noch gültigen 3. Staatsvertrag zu verlängern, die neue Glücksspielbehörde aufzubauen und „parallel einen aus der Perspektive des Spielerschutzes verbesserten GlüStV in Zusammenarbeit mit Suchtfachleuten und Betroffenen zu entwickeln“.
Massive Bedenken beim Datenschutz
Ebenfalls Nachbesserungsbedarf sieht der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit von Nordrhein-Westfalen, Roul Tiaden.
Er hält sowohl die geplante Einführung zentraler Dateien als auch den Einsatz eines auf Algorithmen basierenden automatisierten Systems zur Früherkennung von gefährdeten Spielern und Glücksspielsucht für datenschutzrechtlich bedenklich.
Tiaden kritisiert zudem die Argumentation, nach der die Legalisierung des Online-Glücksspiels unter den dargelegten Maßnahmen notwendig sei, weil sich ein Verbot nicht bewährt habe:
An dieser Stelle erschließt sich bereits nicht, was spielsüchtige Spieler*innen davon abhalten soll, nach Erreichen des Limits oder auch parallel zur Umgehung der Aktivitätsdatei oder der Früherkennung weiter an illegalem Glücksspiel teilzunehmen.
Steuersätze in der Kritik
Generelle Zustimmung zum GlüStV 2021 signalisiert der Deutsche Sportwettenverband (DSWV). Nichtsdestotrotz gebe es „Problemfelder“ in dem Regelwerk. So sei die Regulierung unterschiedlicher Glücksspielangebote nicht kohärent, da staatliche Anbieter den privaten gegenüber weiterhin „deutlich privilegiert“ seien.
Die Industrie sieht sich im GlüStV 2021 auch steuerlich benachteiligt (Quelle:pxhere.com)
Insbesondere die künftige Besteuerung der Online-Angebote trifft bei den Betreibern auf wenig Gegenliebe.
So sei davon auszugehen, dass mit einem geplanten Steuersatz von 8 % bei virtuellen Automatenspielen und 5,3 % bei Einsätzen beim Online-Poker die Kanalisierung der Angebote in den legalen Markt nicht gelingen werde.
Deshalb appelliere der Verband „die Zustimmung zum GlüStV 2021 an die Bedingung zu knüpfen, dass sich die Länder zuvor politisch auf ein sachadäquates Besteuerungsmodell für die neu zulässigen Online-Glücksspiele verständigen“.
Industrie kritisiert Werbebeschränkungen
Auch der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW e.V. sieht die Regulierung positiv, seine Interessen jedoch nicht ausreichend berücksichtigt. So sei beispielsweise „das zeitliche Verbot der Bewerbung von virtuellen Automatenspielen, Online-Poker und OnlineCasinospielen im Rundfunk und Internet (…) unverhältnismäßig und kontraproduktiv“.
Auch ein Verbot von Glücksspiel-Werbung im Umfeld von Live-Berichterstattung zu Zwischenständen bei sportlichen Ereignissen sei nach Meinung der Industrie nicht zielführend.
Laut Tagesordnung beginnen die Anhörungen im Hauptausschuss des Landtags NRW am 1. März um 11 Uhr mit dem Block 1, „Allgemeines“. Von 12 Uhr bis 13 Uhr legen Wissenschaftler im ersten Teil des Blocks 2, „Sucht“, ihre Erkenntnisse dar. Nach einer Pause kommen ab 13:45 Uhr im zweiten Teil „Betroffene“ zu Wort. Ab 14:45 Uhr widmet sich der Block 3 den Interessenverbänden.
Die Sitzung des Ausschusses, die spätestens um 17:00 Uhr enden soll, ist öffentlich und kann nach Anmeldung im Live-Stream mitverfolgt werden.