Großbritannien: Glücksspiel-Gegner Tom Watson tritt zurück
Am Mittwoch hat Tom Watson, der stellvertretende Parteivorsitzende der britischen Labour Party, seinen Rücktritt aus dem Amt erklärt. Der 52-jährige hatte sich im letzten sowie in diesem Jahr intensiv für eine Verschärfung der Glücksspielgesetze eingesetzt und zu zahlreichen bereits umgesetzten Maßnahmen aktiv beigetragen.
Während der Politiker in seiner Rücktrittserklärung ankündigte, sich künftig vor allem dem Kampf gegen die britische Gesundheitskrise zu widmen, ist ungewiss, ob das Thema Glücksspiel auf parlamentarischer Ebene auch in Zukunft eine so zentrale Rolle spielen wird.
Rücktritt nach 35 Jahren
Trotz all der aktuellen Ungewissheit und Turbulenzen innerhalb des britischen Parlamentes kam der Rücktritt von Tom Watson am gestrigen Mittwoch für viele unerwartet und überraschend.
Tom Watson beendet nach 35 Jahren seine politische Karriere (Bild: Wikimedia/Chris McAndrew)
Der Politiker bekleidete das Amt des stellvertretenden Parteivorsitzenden seit 2015 und vertrat darüber hinaus bereits seit 2001 den englischen Wahlkreis West Bromwich East.
Nach insgesamt 35 Jahren als Vollzeitbeschäftigter in der Politik kündigte Watson jetzt jedoch an, kürzer treten zu wollen. Den Brief, den er dazu an den Parteivorsitzenden Jeremy Corbyn verfasste, postete er auch auf seiner Twitter-Seite [Originalbrief auf English].
Zwar bleibe er seiner Partei weiterhin treu und werde dementsprechend auch Wahlkampf betreiben, doch wolle er sich künftig der britischen Krise des Gesundheitswesens widmen, welche, wie er betonte, durch Theresa Mays amtierende Conservative Party (Tories) befeuert werde.
Watson hatte sich insbesondere in diesem Jahr sehr für den Gesundheitssektor engagiert. Neben seinen jüngst gestarteten Initiativen zu einer gesünderen Ernährung engagierte er sich permanent für die Förderung des verantwortungsbewussten Glücksspiels.
Parteivorsitz Jeremy Corbyn reagierte ebenfalls bereits per Twitter-Post auf die Meldung:
Ich danke Ihnen @tom watson für Ihre Dienste innerhalb unserer Partei und Ihres Wahlbereiches. Ich weiß, dass Sie weiterhin ihre Interessen in Bezug auf das Murdoch Empire, die gigantische Zuckerindustrie und die Glücksspielindustrie verfolgen werden. Dies ist nicht das Ende unserer Zusammenarbeit.
Unterstützer von FOBT Limits und höheren Abgaben
Watson begrüßte daher auch das Engagement von Tracey Crouch, der ehemaligen Ministerin für Sport, Digitales, Kultur und Medien (Conservative Party), als diese sich für die Verringerung der maximalen Einsätze an den Fixed-Odds-Betting-Terminals (FOBTs) einsetzte und als Reaktion auf die zunächst geplante Verschiebung der Gesetzesänderung zurücktrat.
Watson lobte Croutch für ihr Engagement zum Thema Glücksspiel (Bild: Wikimedia/Chris McAndrew)
Im frühen Sommer dieses Jahres pushte Watson dann seine eigene Anti-Glücksspiel-Agenda innerhalb seiner Partei sowie im Parlament selbst.
So wandte er sich im Mai persönlich an die britische Glücksspielbehörde, die UK Gambling Commission, um diese aufzufordern, sämtliche nach 2014 ausgestellte Lizenzierungen zurückzuziehen.
Seine damalige Forderung begründete er damit, dass ein beachtlicher Teil aller lizenzierten Online Glücksspielanbieter keinen ausreichenden Spielerschutz biete.
Im Juni dieses Jahres forderte er dementsprechend eine komplette Revision der geltenden Glücksspielgesetze. Seiner Ansicht nach seien diese veraltet und nicht auf die aktuelle digitale Glücksspielwelt ausgerichtet. Auf seiner Webseite heißt es dazu:
Das Wort „Internet“ wird im Gambling Act von 2005 lediglich zweimal erwähnt, neben „Telefon“ und „Radio“. „E-Mail“ kommt lediglich einmal vor und „Social Media“ gar nicht. Stattdessen werden Wetten per Post fünfmal erwähnt […] Unser 14 Jahre alter Gambling Act ist eindeutig veraltet. Es ist ein Stück analoge Gesetzgebung, welche die Bedürfnisse des digitalen Zeitalters nicht erfüllen kann.
Im Zusammenhang mit der Forderung nach strengeren Glücksspielgesetzen forderten er und seine Partei des Weiteren einen Ombudsmann für die Glücksspielindustrie sowie ein Kreditkartenverbot in Online Casinos.
Watson betonte darüber hinaus, dass es nicht genug sei, wenn die Glücksspielgrößen der Branche ihre „freiwilligen Abgaben“ erhöhten. Stattdessen müsse die Regierung deutlich höhere Pflichtabgaben einführen.
Die bisher jährlich geleisteten Abgaben zum Zwecke der Prävention und Therapie von Spielsucht seien laut Watson in der Tat beleidigend.
Glückspiel bald kein Thema mehr?
Aufgrund seines breit aufgestellten Engagements für ein faireres und sicheres Glücksspiel erhielt das Thema Glücksspiel in diesem Jahr immense politische Aufmerksamkeit.
Doch mit Tom Watson tritt nach Tracey Crouch nun schon die zweite politische Leitfigur zurück, die das Thema der Glücksspielregulierung intensiv vorantrieb.
Es stellt sich daher die Frage, welchen Platz das britische Glücksspiel in den folgenden Monaten oder gar Jahren im Parlament einnehmen wird.
Weder die ehemalige Premierministerin Theresa May noch der amtierende Premierminister Boris Johnson schenkten, bzw. schenken, dem Thema die vermeintlich nötige Aufmerksamkeit.
Denkbar ist jedoch, dass Watson das Thema auch außerhalb seines politischen Amtes intensiv weiterverfolgen wird.