Donnerstag, 21. November 2024

Symposium Glücks­spiel: Corona-Lockdown als „Nähr­boden“ für Spiel­probleme?

Gebäude Universität Hohenheim Beim Symposium Glücksspiel ging es am Mittwoch um den Spielerschutz (Bild: Universität Hohenheim)

Am Mittwoch stand beim 19. Symposium Glücksspiel die Spielsucht-Problematik im Vordergrund. Dazu berichteten Suchtforscher über Auswirkungen des Covid-19-bedingten Lockdowns auf das Glücksspielverhalten.

Beim Thema Covid-19-bedingter Lockdown: „Nährboden“ für Spielprobleme? ging es einleitend um Veränderungen des Glücksspielverhaltens während des Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020 in Deutschland. Dr. Anne Koopmann von der Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim stellte die Resultate ihrer Studie vor.

Der Lockdown und seine Auswirkungen

Der erste Lockdown im März 2020 habe Dr. Koopmann zufolge für die deutsche Bevölkerung zu massiven Einschränkungen im öffentlichen Leben geführt. Die Folge seien erhebliche Veränderungen des Alltagslebens mit zusätzlichen Ängsten und Belastungen gewesen.

Analysen zufolge führten die Lockdowns bei Menschen zum vermehrten Aufkommen von Stress, posttraumatischen Symptomen sowie einer Zunahme von Abhängigkeiten wie der Alkohol- oder Kaufsucht. Die von Dr. Koopmann vorgestellte nicht-repräsentative Studie wurde unter über 3.000 Probanden durchgeführt, wobei Frauen mit 60 % die Mehrheit stellten.

Da im Frühjahr 2020 viele Aktivitäten und Beschäftigungsmöglichkeiten weggefallen seien, habe die Suche nach einem Ausgleich auch zu einem geänderten Konsumverhalten geführt. Die ungewohnte Situation habe sich ebenfalls auf das Spielverhalten ausgewirkt.

Etwa ein Drittel der Studienteilnehmer habe angegeben, während des Lockdowns Glücksspielangebote genutzt zu haben. Von diesen habe mit 16,5 % die Hälfte der Befragten den Konsum reduziert. Bei 12,7 % sei dieser unverändert geblieben, während sich das Glücksspiel bei 3,8 % der Teilnehmer gesteigert habe.

Ältere hörten auf

Das Spielverhalten eingeschränkt hätten vor allem Ältere im Alter von über 65 Jahren und Menschen, die mit den Corona-Restriktionen einverstanden gewesen seien. Steigernd habe sich das Spielverhalten besonders bei Personen mit einem als hoch empfundenen Stressniveau und Menschen mit höherer Bildung ausgewirkt.

Zu den Spielformen, die von dem gesteigerten Verhalten besonders profitiert hätten, zählten Online- wie Offline-Roulette und -Kartenspiele sowie Online-Casinos. Auch während des Lockdowns sei Lotto die am häufigsten genutzte Glücksspielform gewesen. Generell sei zu beobachten gewesen, dass die Spieler beim Wechsel von offline zu online ihrer bevorzugten Spielform treugeblieben seien.

Insgesamt sei ein Rückgang beim terrestrischen Spiel ersichtlich, was auf die Schließungen zurückzuführen sei. Im Gegenzug stelle die Zunahme der Online-Nutzung möglicherweise eine Kompensation der reduzierten Verfügbarkeit des Offline-Angebotes und eine Zunahme bei den Neukonsumenten dar. Die ebenfalls ermittelte Steigerung bei Offline-Roulette und -Kartenspielen könne hingegen soziale Gründe unter bestimmten Bevölkerungsgruppen gehabt haben.

Als Maßnahme gegen die Zunahme von Spielproblemen sei eine gute Aufklärung von Risikogruppen über Risiken und die psychischen sowie sozialen Folgen des Spiels erforderlich. Zudem solle in puncto Regulierung und Prävention vor allem der Online-Bereich in den Fokus genommen werden. Für eine genauere Überprüfung der Resultate seien Dr. Koopmann zufolge weitere langfristige Studien und Vergleiche internationaler Analysen erforderlich.

Weitere Studie über Auswirkungen der beiden Lockdowns

Anschließend stellte Dr. Jens Kalke vom Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD) die Auswirkungen der beiden Covid-19-bedingten Lockdowns auf das Glücksspielverhalten vor. Im Fokus der Online-Befragung habe gestanden, inwieweit die Schließung der Spielstätten und das eingeschränkte Freizeitangebot zu einer Änderung des Spielverhaltens geführt hätten.

Die nicht-repräsentative Befragung wurde unter 4.672 Personen ab 18 Jahre von Dezember 2020 bis Januar 2021 durchgeführt. Die Teilnehmer sollten Auskunft über ihr Spielverhalten vor und während des ersten Lockdowns, die Zeit während der Lockdowns sowie ab dem zweiten Lockdown geben.

Wie zuvor Dr. Koopmann hielt auch Dr. Kalke fest, dass aufgrund der Schließungen und Spielabsagen vor allem terrestrische Casinos und Spielautomaten sowie Sportwetten-Angebote während der Lockdowns einen Rückgang hätten hinnehmen müssen. Allerdings habe die Abwanderung in die Online-Nutzung bei allen Spielformen lediglich jeweils im mittleren einstelligen Prozentbereich gelegen.

Viele Spieler hörten ganz auf

Demgegenüber hätten vor allem Casino- (68 %) und Spielhallenbesucher (54 %) angegeben, das Glücksspiel vollständig eingestellt zu haben. Erheblich niedriger habe dieser Anteil bei Lotto-Angeboten gelegen (22 %), was auf deren terrestrische Verfügbarkeit auch während der Lockdowns zurückzuführen sei.

Die Lockdowns hätten sich signifikant auf das Spielverhalten ausgewirkt. Am stärksten seien die Casino-Spieler betroffen, von denen rund 17 % während des ersten Lockdowns überhaupt kein Glücksspiel betrieben hätten.

Als Grund für die Zurückhaltung bei der Online-Nutzung sei spielformübergreifend von der Mehrheit die fehlende Freude am Spiel ohne soziale Kontakte angegeben worden. Neben dem Fehlen passender Geräte für das Online-Spiel hätten zudem viele Spieler erklärt, dass sie das Glücksspiel sowieso hätten beenden wollen.

Die Studie ging auch auf Gründe ein, die bei den Befragten für einen Einstieg in das Glücksspiel gesprochen hätten. Dazu zählten die Flucht vor der Langeweile (46 %) und Neugier (45 %) sowie vor allem die Werbung (30 %), deren kritische Wirkung auf Problemspieler auch Dr. Kalke betonte. Immerhin 15 % hätten zudem erklärt, sich von ihrer niedergeschlagenen Stimmung ablenken zu wollen.

Der Lockdown sei für viele Spieler ein willkommener Anlass gewesen, dem Spiel Adieu zu sagen. Besonders Spielautomaten-Nutzer hätten erkannt, dass das Glücksspiel nicht gut für sie sei. Je größer die Spielprobleme gewesen seien, desto stärker habe der Lockdown die Betroffenen zum Aufhören bewegt, bilanzierte Dr. Kalke.

Spielautomaten

Viele Spielhallen waren 2020 geschlossen (Bild: Pixabay)

Der Wissenschaftler schlussfolgerte, dass die Schließungen bei einer Reihe von Spielern zur Beendigung des Spielens geführt hätten. Etwa 20 % von diesen hätten angegeben, dass es ihnen ohne das Glücksspiel besser gehe. Ein massiver Umschwung auf das Online-Glücksspiel sei zudem nicht erkennbar.

Grundsätzlich stelle sich die Frage, ob zeitlich befristete Schließungen von terrestrischen Angeboten vielleicht eine geeignete Maßnahme für den Spielerschutz sein könnten, da keine hohen Abwanderungstendenzen in den Online-Bereich zu erwarten seien. Eine solcher Schritt müsse jedoch mit begleitenden Angeboten verbunden sein, um die Betroffenen bei ihrem Ausstieg angemessen zu unterstützen.