Donnerstag, 21. November 2024

Spielsucht in Deutschland: Sind 30 % der Automaten-Spieler abhängig?

Mann am Spielautomaten stützt Kopf auf seine Arme Spielautomaten gelten neben Online-Glücksspielen als besonders suchterzeugend (Bild: Shutterstock)

Jüngsten Erhebungen der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung zufolge leiden 429.000 Menschen in Deutschland an Spielsucht. Suchtexperten bezeichnen dabei Online-Glücksspiele und Spielautomaten als besonders riskant. Im Gespräch mit der Hessenschau haben zwei Betroffene diesbezüglich ihre Erfahrungen geschildert. In dem am Dienstag veröffentlichten Beitrag kommt zudem eine Suchtberaterin aus Hessen zu Wort.

Spielautomaten laut Experten riskanter als Lotto

Wie Stefanie Höft vom Suchthilfezentrum Wildhof (Offenbach) erklärt, betreue sie Betroffene, die aufgrund ihrer Spielsucht bis zu 300.000 Euro Schulden angehäuft hätten. Der Weg in die Sucht beginne oft schleichend und „in belanglosen Situationen“. Für viele sei es der spontane Einwurf einer Münze in einen Spielautomaten, der zu einem unerwarteten Gewinn führe.

Gewinne am Anfang der „Glücksspiel-Karriere“ hätten oft zur Folge, dass der oder diejenige den Wunsch zum Weiterspielen verspüre. In der Forschung ist man sich heute weitgehend einig, dass gewisse Vorgänge im Gehirn dafür verantwortlich sind. Auch Höft erklärt:

Im Belohnungszentrum des Gehirns passiert beim Spielen am Automaten im Grunde genau das Gleiche, wie wenn jemand Speed konsumiert oder Alkohol trinkt.“

Das Spielen am Automaten mache im Vergleich zu anderen Glücksspielen besonders abgängig. Während Lotto beispielsweise eher „langweilig“ sei, lösten Spielautomaten die Ausschüttung von Dopamin und Adrenalin aus. Von 100 Personen, die am Spielautomaten zockten, entwickelten daher 30 problematisches Spielverhalten, so die Suchtberaterin.

Der Teufelskreis der Spielsucht habe oft verheerende Folgen für die Betroffenen und ihre Angehörigen. Vor allem die finanziellen Verluste, die mit einer Spielsucht fast immer einhergingen, nähmen den Menschen jedwede Hoffnung. Daher sei die Selbstmordrate unter Spielsüchtigen auch drei- bis viermal so hoch wie bei anderen Suchterkrankungen, betont Höft.

Mehr Spielsucht durch Online-Glücksspiele?

Die Sorge um einen möglichen Anstieg von Spielsucht in Deutschland war im letzten Jahr eines der Hauptargumente gegen die Legalisierung des Online-Glücksspiels. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es noch keine Daten dazu, ob die Zahl der Betroffenen angestiegen ist, bzw. langfristig ansteigen wird.

Wie die Fallbeispiele der Hessenschau zeigen, wurde das Spielen im Online-Casino jedoch auch vor Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages für einige Menschen zum Problem.

Christian Peters [Name von der Hessenschau geändert] habe bereits 2011 im Alter von 19 Jahren mit dem Online-Glücksspiel begonnen. Immer wieder habe er drei- oder vierstellige Beträge an Online-Spielautomaten gewonnen, um anschließend wieder alles zu verlieren. Er erzählt:

Die Einsätze waren absurd. Ich habe teilweise mit jeder Drehung am Automaten 100, 200 Euro verspielt. Egal ob ich gewinne oder verliere, ich bin immer angespannt. Weil es auch nie vorbei ist."

Heute versuche Peters, seine Spielsucht ohne professionelle Hilfe und allein mit der Unterstützung seiner Freundin zu besiegen. Bereits die zweite Therapie habe hingegen der Rentner Klaus Müller [Name ebenfalls geändert] hinter sich. Anders als Peters habe er erst spät mit dem Glücksspiel angefangen. Mit Mitte 50 habe sein exzessives Glücksspiel in der Spielhalle begonnen.

Innerhalb von fünf Jahren habe er 20.000 Euro verloren. Nach seiner ersten Therapie sei er rückfällig geworden. Erst die zweite Therapie und ein Umzug in eine Kleinstadt in Süddeutschland habe ihm aus der Sucht geholfen.

Geschichten wie die der beiden Männer gibt es viele. Wie hoch dabei die Dunkelziffer der Spielsüchtigen in Deutschland tatsächlich sein könnte, sei laut Suchtexperten jedoch schwer einzuschätzen.