Mittwoch, 30. Oktober 2024

Singvogel-Wetten bedrohen Wildbestände

Käfige

Der illegale Handel mit Wildvögeln boomt. Schätzungen gehen davon aus, dass jährlich bis zu 10 Mrd. Euro weltweit mit dem illegalen Vogelhandel umgesetzt werden. Die meisten der Wildvögel sterben, bevor sie bei einem Käufer ankommen und viele enden keineswegs als Haustiere, sondern werden für Singvogel-Wetten eingesetzt.

Singvogelkrise auf Java

In Indonesien floriert der Handel mit Singvögeln und die Nachfrage ist mittlerweile so groß, dass viele Arten als gefährdet halten. Laut einer Studie, die in diesem Jahr in der Zeitschrift Biological Conservation veröffentlicht wurde, hält rund ein Drittel der 36 Mio. Haushalte auf der indonesischen Insel Java Singvögel. Die Gesamtzahl der Vögel, die ihr Dasein hier in Käfigen fristen, wird auf 75 Mio. geschätzt.

Grund für die große Nachfrage nach Vögeln wie der Schamadrossel ist jedoch nicht, dass sie gern als Haustiere gehalten werden, sondern der indonesische Kicau-Wettbewerb. Bei dem Gesangswettbewerb können die Menschen Wetten auf die Singvögel platzieren. Gewettet wird dabei zum Beispiel darauf, wie oft die Vögel innerhalb von einer Minute zwitschern oder wie viele verschiedene Lieder sie „singen“.

In Indonesien sind die Vogelsang-Wettbewerbe in den 1970er Jahren so populär geworden, dass das Phänomen die Bezeichnung „Kicau-Mania“ (Vogelsang-Manie) erhalten hat. Geführt hat hierzu der Import von Kanarienvögeln (Serinus canaria) und Turteltauben (Agapornis), auch „Unzertrennliche“ genannt.

Beide sind leicht zu züchten und zeichnen sich durch eine hohe phänotypische Plastizität aus, verfügen damit also über die Eigenschaft, je nach Umweltbedingung verschiedene Formen zu bilden. Die indonesische Oberschicht begann zudem, Sperlinge aus China zu importieren, die Timalien, die sich durch einen außergewöhnlichen Gesang auszeichnen.

Noch beliebter wurden die Singvogel-Wettbewerbe allerdings, als sie nicht nur mit ausländischen Vogelarten, sondern zunehmend auch mit Vögeln aus Indonesien, wie der Schamadrossel (Copsychus malabaricus), dem Schachwürger (Lanius Schach) und dem Gelbscheitelbülbül (Pycnonotus zeylanicus), durchgeführt wurden.

Populärer als gezüchtete Vögel sind bei den Wettbewerben Wildvögel, denn diese sollen kräftiger und harmonischer singen. So haben die Singvögel-Wetten in Indonesien zu einer riesigen Nachfrage nach geschmuggelten Wildvögeln geführt. Die artenreiche Insel Java ist dabei eine wichtige Quelle. Mehr als 200 verschiedene Arten werden von hier aus in gesamt Indonesien verkauft, umgesetzt werden dabei jährlich umgerechnet rund 10 Mio. Euro.

Eine Gefahr für die Ökosysteme

Der Vogelhandel jedoch hat zur Folge, dass viele Wildvogelarten mittlerweile vom Aussterben bedroht sind. Harry Marshall von der Manchester Metropolitan University erläutert die weitreichenden Folgen:

„Die Entfernung der Vögel aus den Wäldern in einem solchen Ausmaß kann schädlich sein, und zwar nicht nur, weil sie das Aussterben von Vögeln zur Folge hat, sondern weil sie die von ihnen erbrachten Leistungen für das Ökosystem, wie die Bestäubung, gefährdet.“

Der Handel mit den Wildvögeln gefährdet nicht nur die heimischen Ökosysteme, sondern auch die der Importländer. Dort kann es zur Verbreitung invasiver Arten und neuer Krankheitserreger führen. In den USA, wo für Singvogel-Wetten häufig Vögel aus Lateinamerika importiert werden, brach im Jahr 2015 so beispielsweise die Vogelgrippe H5N1 aus und verursachte Schäden in Höhe von 850 Mio. US-Dollar.

Illegale Gesangswettbewerbe in den USA

In den USA sind Singvogel-Wetten vor allem bei Migranten aus Südamerika und der Karibik beliebt. Der New Yorker Zoll entdeckt immer wieder Finken, die für Gesangswettbewerbe illegal eingeführt werden und für die manche Käufer bis zu 10.000 US-Dollar zahlen.

Schamadrossel, Copsychus malabaricus

Die Schamadrossel wird auf Java gefangen und für Singvogel-Wetten gehandelt. (Bild: Wikipedia/JJ Harrison, CC BY-SA 3.0)

In den USA sind nicht nur die Singvogel-Wetten verboten, auch der Handel mit den Wildvögeln ist oft nicht legal. Einerseits müssen exotische Tiere nach der Einfuhr 30 Tage in Quarantäne verbringen, andererseits gelten viele der Vögel als gefährdet und dürfen daher gar nicht erst gefangen werden.

Damit die illegal eingeführten Vögel vom Zoll nicht entdeckt werden, betäuben Schmuggler sie mit Rum. Werden die Vögel dennoch entdeckt, werden die Schmuggler, sofern es sich beispielsweise um Reisende aus Guyana handelt, des Landes verwiesen oder müssen mit Strafzahlungen rechnen. Diese liegen jedoch meistens im dreistelligen Bereich und sind daher im Vergleich zum möglichen Gewinn gering.

In der EU wurde im Jahr 2005 der Import von Wildvögeln verboten. Seitdem ist das weltweite jährliche Handelsvolumen von rund 1,3 Millionen auf ca. 130.000 zurückgegangen. Gleichwohl haben die Exporteure seit dem EU-Verbot ihre Handelsrouten neu orientiert und nicht nur die Importe in den USA, sondern auch die in Afrika und Südasien steigen.

Die einzige Lösung, den Wildvogelhandel und die Singvogel-Wetten einzudämmen, sehen Tierschützer in einem weltweiten Handelsverbot. Dieses konnten sie jedoch trotz der Gefahr eines erneuten Ausbruchs der Vogelgrippe noch nicht durchsetzen.