Umstrittenes Schweizer Geldspielgesetz will Netzsperren einführen
Der Entwurf für ein neues Schweizer Geldspielgesetz sieht umstrittene Netzsperren vor (Bildquelle).
In der Schweiz haben Bundesrat und Ständerat einen Entwurf für ein neues Geldspielgesetz erarbeitet. Das neue Geldspielgesetz behandelt zum einen die Regulierung von Online und Offline Glücksspielangeboten sowie den Spielerschutz, zum anderen die Verwendung der Spielerträge. Die Bundesverwaltung feiert den Entwurf als „sorgfältig austarierten Kompromiss“, während Kritiker die Überarbeitung des Geldspielgesetzes als Verfehlung und Lobbyismus bezeichnen. Besonders umstritten sind die im Entwurf vorgesehenen Netzsperren, mit denen ausländische Online Glücksspielanbieter vom Schweizer Markt ausgeschlossen werden sollen.
Derzeit behandelt die Rechtskommission des Schweizer Nationalrates den Entwurf für das neue Geldspielgesetz. Nachdem sowohl Bundesrat als auch Ständerat in der Schweiz das Gesetz verabschiedet haben, hätte der Nationalrat jetzt Gelegenheit für Änderungen. Die sind nach Auffassung von Kritikern auch dringend nötig, da der Entwurf als kontraproduktiv und protektionistisch gilt.
Lobbyismus beim Schweizer Geldspielgesetz
Die Schweizer Justizministerin Simonetta Sommaruga fasst es kurz und knapp zusammen: „Die Casinos haben sich hier durchgesetzt.“ Das neue Geldspielgesetz soll den Schweizer Markt schützen und ausländische Online Anbieter ausschließen. Etwas mehr als zehn europäische Glücksspielanbieter leisteten Lobby-Arbeit, um gegen den Protektionismus des geplanten Geldspielgesetzes anzugehen. Genützt hat es nicht, die Schweizer Lobby hat sich durchgesetzt. Der Bundesrat hat das geplante Geldspielgesetz als Heimatschutzgesetz konzipiert. Der Entwurf führt das Lotteriegesetz und das Spielbankengesetz zusammen und setzt einen Geldspielartikel um. Dieser beschäftigt sich mit der ertragsabhängigen Abgabe für Spielbanken, der vollen Verwendung der Gewinne aus Lotterien und Sportwetten für gemeinnützige Zwecke und dem Spielerschutz.
Die vorgeblichen Ziele des neuen Entwurfs
Der Schweizer Bundesrat verfolgt zwei Ziele mit dem neuen Geldspielgesetz. Zum einem Großteil sollen die mit Online und Offline Glücksspiel erwirtschafteten Gewinne wie bislang gemeinnützigen Zwecken und der Alters- und Hinterlassenenvorsorge zugutekommen. Zum anderen will man „sicheren und transparenten Spielbetrieb“ garantieren und Spieler vor Spielsucht schützen. Die Kritik am Geldspielgesetz sieht beide Punkte als nicht erreicht an.
Schweizer Zocker können derzeit legal bei ausländischen Online Casinos spielen (Bildquelle).
Die aktuelle Schweizer Rechtslage verbietet alle Online Angebote. Dennoch spielen viele Schweizer bei Online Anbietern aus dem Ausland – und das legal. Wer ausländische Glücksspielseiten im Internet nutzt, die nicht ausschließlich auf den Schweizer Markt zugeschnitten sind, macht sich in der Schweiz nicht strafbar. Für Online Casinos selbst ist die Situation weniger eindeutig. Wer ausschließlich in der Schweiz Online Glücksspiel anbietet, verstößt gegen geltendes Recht, jedoch sind die Seitenbetreiber aktuell nicht verpflichtet, Schweizer Internetnutzer zu sperren. Der neue Gesetzentwurf will Online Spielbanken in Zukunft erlauben, allerdings ist nicht vorgesehen, neue Konzessionen an Schweizer oder ausländische Anbieter zu vergeben. Lediglich bestehende Spielbanken dürfen künftig auch online aktiv werden.
Hier zeigt sich die Verfehlung des Geldspielgesetzes: Ausländische Online Casinos werden auch künftig in der Schweiz keine Abgaben leisten, während Zocker in der Schweiz kaum auf heimische Internetseiten umsteigen und wie bisher die bekannten Größen im Netz aufsuchen werden.
Protektionismus beim Geldspielgesetz spielt dem Schwarzmarkt zu
Bei der Erarbeitung des neuen Entwurfs haben sich die Schweizer Gesetzgeber durchaus auch im Ausland umgesehen. Speziell das belgische Glücksspielgesetz stand Pate: Dort wird der heimische Markt durch Netzsperren geschützt. Allerdings sind regulierte Online Angebote für belgische Casino Betreiber wenig attraktiv, und auf Belgien kommt ein EU Verfahren wegen Verletzung der Dienstleistungsfreiheit zu. Ähnliche Zustände herrschen in weiteren EU Ländern. Der französische Markt wird zu mehr als der Hälfte von Online Glücksspiel beherrscht, und das trotz Verbot. In Deutschland wird der Glücksspielstaatsvertrag regelmäßig von EU Kommissaren kritisiert, während der Online Markt unreguliert wächst und wächst. Anders sieht es allerdings in Skandinavien aus. In Dänemark konnte man durch Regulierung den Schwarzmarktanteil auf fünf Prozent drücken. Ausländische Online Casinos können sich um Konzessionen bewerben, zahlen Steuern und müssen sich an gesetzliche Vorgaben halten.
Netzsperren schränken Grundrechte ein
Bestehende Casino Betreiber nahmen so großen Einfluss auf die Entwicklung des neuen Gesetzes, dass der Bundesrat letztlich geplante Vorhaben nicht umsetzte. Ursprünglich waren Lizenzen für ausländische Bewerber angedacht. Bei einem Markt von geschätzten 750 Millionen Schweizer Franken hätte der Fiskus auf entsprechende Steuereinnahmen hoffen können.
Stattdessen ist abzusehen, dass das neue Geldspielgesetz einen Konflikt mit einem eventuellen EU Dienstleistungsabkommen darstellt. Bereits jetzt bricht der Entwurf mit der in der Schweiz verfassungsmäßig garantierten Wirtschaftsfreiheit. Außerdem stellen die geplanten Netzsperren einen „Eingriff in die Grundrechte“ dar, so heißt es in einem Gutachten (PDF) der Universität Zürich.
Die im Geldspielgesetz vorgesehenen Netzsperren wirken nicht
Ausländische Internet Casinos sollen in Zukunft blockiert werden. Der Entwurf für das neue Schweizer Geldspielgesetz sieht auch vor, dass exzessive Spieler mit Netzsperren am Online Glücksspiel gehindert werden. Internetprovider sollten verpflichtet werden können, den Zugriff auf bestimmte Inhalte zu verhindern. Netzsperren sind umstritten, weil sie ohne großen Aufwand durch Verwendung von ausländischen Proxy-Servern oder von einem virtuellen privaten Netzwerk (VPN) umgangen werden können.
Ein Gutachten der Universität Zürich bescheinigt die Untauglichkeit dieser Methode und sieht sogar die Glaubwürdigkeit der Rechtsordnung in Frage gestellt. Die Gutachter befassten sich mit den technischen Möglichkeiten, ihrer Wirksamkeit sowie der Zulässigkeit von Netzsperren aus rechtlicher Sicht. Ihr Fazit lautet: Ein Umgehen dieser Art von Sperren ist ohne besonders tiefgreifendes technisches Wissen möglich, und das auf den verschiedensten Geräten. Netzsperren sind wenig geeignet, Süchtige vom Spiel auszuschließen.
Der Wirtschaftsverband für die digitale Schweiz, Swico, teilt mit:
„Netzsperren in Form von IP-Sperren führen zu einem stark erhöhten Overblocking-Risiko. So werden rechtmäßige Inhalte von anderen unbeteiligten Anbietern, welche über die gleiche IP-Adresse abrufbar sind, ebenfalls gesperrt. Mit Blick auf den geringen Nutzen und die mit Netzsperren verbundenen Eingriffe in Grundrechte erscheint die Einführung von Netzsperren als problematisch. Hinzu kommt, dass die Glaubwürdigkeit der Rechtsordnung Schaden nehmen kann, wenn sie sich zur Rechtsdurchsetzung weitgehend untauglicher Mittel bedient.“
Der Wirtschaftsverband fordert deshalb in einem Schreiben an die Rechtskommission des Nationalrates deren Mitglieder auf, das entsprechende Kapitel im Gesetzesentwurf zu streichen. Der Ständerat hatte das Gesetz mit 41 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung durchgewunken.