Iran cancelt Fußballübertragung mit Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus
Am Freitag kämpfte sich der FC Bayern mühsam zum Sieg gegen Augsburg. Zuschauer im Iran konnten das Bundesligaspiel nicht verfolgen. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge zensierte das Staatsfernsehen, das diverse Spiele europäischer Ligen zeigt, die Übertragung, weil die kurzen Hosen von Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus (39) gegen die Kleidungsvorschriften des streng-islamischen Landes verstießen.
Bayern gegen Augsburg unter Leitung von Bibiana Steinhaus
Schiedsrichterin Steinhaus (Quelle:Dontworry, licensed under CC BY-SA 3.0)
Der Sieg war klar eingeplant: Als Tabellenzweiter ging der 1. FC Bayern am 22. Spieltag als deutlicher Favorit ins Rennen gegen den FC Augsburg. Die großen Buchmacher hatten Quoten von bis zu 1:13 auf eine Niederlage der Münchner angesetzt.
Zum 3:2 Sieg reichte es, zur Begeisterung der Zuschauer nicht. Die Bayern kämpften sich zum Sieg, müssen laut einhelliger Meinung der Beobachter aber eine deutliche Schippe drauflegen, wenn es am morgigen Dienstag gegen den FC Liverpool in der Champions League einen Dreier geben soll.
Kurze Sporthose: Aufreizende Kleidung?
Ihre Expertise zum Spielverlauf konnten Fans im Iran nicht abgeben. Die geplante Übertragung des Spiels im Staatsfernsehen wurde kurzfristig gecancelt. Der Grund soll der Einsatz von Bibiana Steinhaus als Referee gewesen sein. Laut Kennern waren es die kurzen Hosen der Schiedsrichterin, die den iranischen Tugendwächtern missfielen: „Aufreizende Kleidung“ bei Frauen wird im TV der islamischen Republik nicht geduldet.
In Deutschland gibt es laut DFB-Statistik rund 75.000 Referees. Der Anteil der Schiedsrichterinnen wird auf 2 % geschätzt, ihren Einsatz haben sie meist in Partien im Frauenfußball.
Bibiana Steinhaus ist bislang die einzige Frau, die Spitzenspiele in der 1. Bundesliga der Männer leitet. Bis in die dritte Liga hat es Schiedsrichterin Riem Hussein geschafft.
Aufmerksam auf die Änderung des Sendeplans hatte die deutsch-iranische Journalistin Natalie Amiri via Twitter gemacht. Die 40-Jährige leitet das ARD-Studio in Teheran und ist regelmäßig für Nachrichtenbeiträge in Sendungen wie Tagesschau, Tagesthemen und dem Weltspiegel, den sie auch moderiert, zuständig.
Iranische Medien stützten im Laufe des Wochenendes die Vermutung, der Ausfall der Übertragung sei auf die Ansprüche an die Kleidung der Schiedsrichterin zurückzuführen gewesen.
Im Iran gelten für Frauen rigide Vorschriften, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich. Durch die Anwendung der im Iran als Rechtsgrundlage fungierenden Scharia, eines religiös begründeten Regelwerks, ist es Frauen untersagt, mehr als Gesicht, Hände und Füße unbedeckt zu zeigen. Zudem darf eine Frau in der Öffentlichkeit keine enganliegende Kleidung tragen und das Hinterteil muss doppelt bedeckt sein.
Empfindliche Strafen bei Verstößen gegen Kleidervorschriften
Journalistin Amiri auf Twitter: „Bibiana Steinaus ist eine Frau“ (Quelle:twitter.com/@NatalieAmiri)
Verstöße werden streng geahndet, eine Religionspolizei sorgt teilweise gewaltsam für die Einhaltung der Vorschriften.
Im Sommer vergangenen Jahres wurde die iranische Frauenrechtsaktivistin Shaparak Shajarizadeh in Abwesenheit zu zwei Jahren Gefängnis und 18 Jahren auf Bewährung verurteilt. Vor ihrer Flucht nach Kanada hatte sie ihr Kopftuch auf der Straße abgenommen und es als Zeichen des Protestes in der Luft geschwenkt.
Doch der Fall Bibiana Steinhaus zeigt, dass nicht nur die Frauen vor Ort verhüllt sein sollen. Auch ausländische Filmproduktionen werden zensiert: Sobald eine Frau vermeintlich zu leicht bekleidet ist, wird die Szene aus dem Film herausgeschnitten.
Live-Sendungen werden im TV ausschließlich mit 30-sekündiger Verzögerung übertragen, damit die stets aufmerksamen Tugendwächter im Falle des Falles eingreifen können, sollte es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen und Verbote doch zu „unzüchtigem Verhalten“ kommen.
WM-Auslosung nur zur Hälfte gezeigt
Dass die unverhüllten Knie von Bibiana Steinhaus zum Problem wurden, war nicht das erste Mal, dass auch der internationale Fußball in Mitleidenschaft der rigiden Kleidungsvorschriften in der islamischen Republik gezogen wurde. Im Jahr 2017 erreichten die russische Fernsehmoderatorin Maria Komandnaja zahllose Anfragen aus dem Iran:
Vor der Auslosung der Begegnungen der WM 2018 baten iranische Fußballfans sie inständig darum, auf ihre Kleiderwahl bei der international übertragenen Zeremonie zu achten.
Das schlichte schwarze Kleid Komandnajas bedeckte ihre Knie, die freiliegenden Schultern waren dann aber wohl doch ein Problem: Der iranische Staatsender IRIB verzichtete auf die Übertragung der gesamten ersten Hälfte der Zeremonie, im Iran war nur die Auslosung als solche zu sehen.
Schiedsrichterin nur zu erahnen
Und auch Schiedsrichtern Steinhaus durfte bereits zuvor Bekanntschaft mit der Arbeit der iranischen Zensoren machen: Im Mai 2018 leitete sie die Partie des 1. FC Köln gegen den FC Bayern München.
Das Spiel wurde im Iran ausgestrahlt, Steinhaus` Beteiligung war allerdings nur zu erahnen. Lediglich in der Totalen des Spielfelds war sie für die Iraner zu sehen. Bei Einstellungen, die sie aus der Nähe zeigten, schaltete das Staatsfernsehen auf Aufnahmen der Zuschauer.
Zuständig für die BuLi-Ausstrahlung im Iran: beIn Sports (Quelle:beIn SPORTS/public domain)
Die für die Vermarktung von Bundesligaspielen zuständige DFL wollte sich auf aktuelle Medienanfragen zu dem Umgang Irans mit Bibiana Steinhaus nicht äußern. Laut offizieller Auflistung ist der Sportkanal beIN Sports mit Sitz in Doha im Besitz der TV-Rechte für die Ausstrahlung von Bundesligaspielen im Iran.
Gleichzeitig machen immer wieder Gerüchte über einen Piratensender namens BeoutQ die Runde, der Fernsehsignale illegal abgreifen und über einen saudi-arabischen Satelliten in arabische Länder verbreiten soll.
Einen direkten Vertrag zwischen der Deutschen Fußballliga und dem Staatsfernsehen der islamischen Republik scheint es nicht zu geben, dennoch haben die deutschen Spitzenspiele, ebenso wie vier weitere europäische Ligen einen festen Platz im iranischen TV.
Kritiker der iranischen Entscheidung, Bibiana Steinhaus nicht im TV zu zeigen, wünschen sich ein starkes Zeichen gegen Diskriminierung vom Fußballweltverband FIFA: Die Aufstellung von Steinhaus und weiteren Schiedsrichterinnen im nicht weniger rigiden Katar bei der WM 2022 könnte ein solches sein. Für ein Umdenken braucht es aber wohl mehr.