Joachim Löw und Oliver Bierhoff in der großen WM-Analyse
Joachim Löw (links) und Oliver Bierhoff (rechts) bei der Pressekonferenz in München (Bildquelle: Sportschau)
Am Mittwoch präsentierte Bundestrainer Joachim Löw (58) zusammen mit Oliver Bierhoff (50) in einer einstündigen Pressekonferenz seine WM-Analyse. Dabei gab er auch die neue Aufstellung der deutschen Nationalmannschaft bekannt.
Löws Erkenntnisse zusammengefasst
Nach Wochen des Wartens äußerte sich Bundestrainer Joachim Löw endlich öffentlich zur WM-Blamage der deutschen Nationalelf. Dabei präsentierte er selbstkritisch und bescheiden seine Erkenntnisse.
Die DFB-Pressekonferenz, welche in der Münchener Allianz Arena abgehalten und aufgezeichnet wurde, begann mit einer umfangreichen Erklärung dessen, was im Detail bei der WM 2018 nicht funktioniert hat.
Löw kritisierte dabei in erster Linie seine eigenen Entscheidungen als Bundestrainer und räumte gleich mehrere Fehler ein. Das Ergebnis seiner Analyse waren zwei bedeutsame Erkenntnisse. So war zum einen die Spieltaktik, zum anderen die Motivation des Teams ein Problem.
Bei der WM 2018 hatte das deutsche Team auf Ballbesitz und totale Dominanz gesetzt, wobei andere wichtige Faktoren auf der Strecke blieben. Er räumte dies daher als den größten Fehler ein:
Mein allergrößter Fehler war, dass ich gedacht habe, dass wir mit diesem dominanten Ballbesitzfußball durch die Vorrunde kommen. Das war fast schon arrogant von mir. Ich wollte es auf die Spitze treiben.
Zugleich verteidigte er jedoch den Ballbesitzfußball, insbesondere in Bezug auf Nationale Ligen. So sei es genau diese Art von Spiel, welche Top Teams wie Bayern München, Manchester City und Paris Saint-Germain auszeichne und immer wieder an die Spitze bringe.
Jedoch lasse sich dies nicht ohne Anpassungen auf K.O-Wettbewerbe wie die Champions League oder eben Europa- und Weltmeisterschaften übertragen. Bei der WM 2018 habe dem deutschen Team daher die nötige Ausgewogenheit aus offensivem und defensivem Spiel gefehlt.
Die deutsche Nationalmannschaft bei der WM in Russland (Bildquelle: Stern)
Löw zog während seiner Präsentation mehrere direkte Vergleiche zwischen den Leistungen der Mannschaft in den Jahren 2010, 2014 und 2018.
So gab es im Vergleich zu den Vorjahren bei der WM dieses Jahres viel weniger Sprints, weniger gradlinie, langsamere Passspiele und viel mehr erfolglose Torabschlüsse.
Der Bundestrainer äußerte sich auch zu den Taktiken der anderen Nationalmannschaften. Diese waren in der großen Mehrheit mit nur drei Offensivspielern aufgestellt, konnten aber viele Tore aus Kontersituationen erzielen.
In den Jahren 2010 und 2014 war die deutsche Elf geprägt von einer starken Defensive, großer Kompaktheit und schnellen Gegenangriffen. Laut Löw scheinen die anderen Mannschaften Angst vor dem deutschen Team gehabt zu haben und hätten daher sehr defensiv gespielt.
Was soll anders werden?
Die Art und Weise, wie es Deutschland bei der WM 2014 in Brasilien zum Titel geschafft hat, bezeichnete Löw als „die goldene Mitte“ zwischen 2010 und 2018. Wie damals sollen Stabilität und Ausgewogenheit des Teams daher zukünftig wieder im Fokus stehen.
Löw zeigte sich sehr zuversichtlich und betonte, dass das Team durchaus motiviert und stark sei. Neben personellen Veränderungen soll aber vor allem auf taktischer Ebene sowie auf emotionaler Ebene gearbeitet werden.
So sei es wichtig, ein neues Feuer zu entfachen, welches während der letzten WM schlicht nicht aufgeflammt sei. Löw gestand ein, dort nicht genügend Motivation gegeben zu haben.
Der DFB postete auf Twitter den offiziellen neuen Kader
Es bedürfe des Weiteren einiger Veränderungen im Trainerstab. Dieser soll deutlich verkleinert werden, um die Konzentration zu schärfen und Kommunikationswege kürzer zu halten.
Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff betonte in dem Zusammenhang, dass der Stab bisher hervorragende Arbeit geleistet habe, jedoch schlicht zu groß geworden sei.
Konkrete Veränderungen dabei sind, dass Thomas Schneider seine Position als Co-Trainer verlassen wird und stattdessen die Leitung der Scoutingabteilung übernimmt. Urs Siegenthaler, der bisher dafür zuständig war, wird ebenfalls dabeibleiben und weitere „übergeordnete Rollen“ übernehmen.
Löws Co-Trainer werden fortan Fußballer Marcus Sorg und ehemaliger Fußballer Andreas Köpke sein.
Oliver Bierhoff ging des Weiteren auf das Thema der Fannähe ein. Er wolle die Klagen und Hinweise der Fans sehr ernst nehmen und fortan die Nahbarkeit fördern. Dies soll unter anderem durch häufigere öffentliche Trainingseinheiten erreicht werden.
Auch die Nähe zwischen den Nationalspielern und dem DFB soll gestärkt werden. Bessere Kommunikation stehe hier im Mittelpunkt und es solle daher mehr Anrufe, persönliche Mitteilungen und auch Besuche in den Heimatorten der Spieler geben.
Abschließend äußerte sich Bierhoff auch zu der kürzlich scharfen Kritik bezüglich der Kompetenz des DFB. Der Manager betonte, der DFB habe genügend Experten und kompetente Trainer, um professionell über die deutschen Clubs zu entscheiden.
Der neue Kader steht fest
Der angekündigte große Umbruch in der deutschen Nationalmannschaft fiel letztendlich doch kleiner aus, als viele befürchtet hatten. Von den 23 nominierten Spielern waren 17 auch bei der Weltmeisterschaft in Russland dabei.
Bei der neuen Aufstellung wollte Löw eine ausgewogene Mischung aus erfahrenen sowie „jungen, dynamischen, hungrigen Spielern“ erzeugen.
Nico Schulz (links), Thilo Kehrer (Mitte) und Kai Havertz (rechts) (Bildquelle: sportbuzzer)
Dabei gibt es drei komplette Neulinge, die bei der in kürze beginnenden UEFA Nations League und den Länderspielen gegen Frankreich und Peru auf dem Platz stehen sollen. Hierbei handelt es sich um Thilo Kehrer (21, Paris Saint-Germain), Kai Havertz (19, Bayer Leverkusen) und Nico Schulz (25, TSG 1899 Hoffenheim).
Auch Thomas Müller (28) und Jérôme Boateng (29) können aufatmen. Ihr Verbleib in der Nationalelf war in den letzten Wochen unklar, aber Löw entschied sich dazu, beide im Team zu halten. Auch Ilkay Gündoğan (27), der wie Özil Objekt großer politischer Diskussionen wurde, wird wieder auf dem Platz stehen.
Mittelfeldspieler Sami Khedira (31) hingegen wird zunächst nicht mehr für die Nationalelf spielen. Gerade auf seiner Position wollte Löw für frischen Wind sorgen.
Insgesamt sind die personellen Veränderungen im Nationalteam demnach deutlich weniger gravierend als die auf anderen Ebenen. Löw steht hinter seinem Team, kennt dessen Stärken und Schwächen und wird genau dort ansetzen.
Bereits in wenigen Tagen wird sich in den ersten Spielen der UEFA Nations League zeigen, ob die Entscheidungen des Bundestrainers angemessen waren und ob die richtigen Schlüsse aus den Erkenntnissen der WM-Analyse gezogen wurden.