Großbritannien: Ist die Glücksspiel-Gesetzgebung nicht mehr zeitgemäß?
In einem Interview mit der “Financial Times” kündigte Lord Chadlington vom britischen House of Lords am Montag die Gründung einer unabhängigen Wohltätigkeitsorganisation an. Diese Organisation soll den 100 Mio. Pfund Sterling schweren Fond verwalten, der von den fünf größten britischen Glücksspielunternehmen zur Bekämpfung der Spielsucht gespendet worden war.
Im Rahmen des Interviews sagte Lord Chadlington [Seite auf Englisch] außerdem, dass das derzeit geltende Glücksspielgesetz aus dem Jahre 2005 nicht mehr zeitgemäß sei und das immense Wachstum der Online Sportwetten und Glücksspiele nicht ausreichend regeln könne.
Die Wohltätigkeitsorganisation „Action Against Gambling Harm“
Im Juli 2019 sicherten die fünf größten Glücksspielunternehmen in Großbritannien zu, zwischen 2020 und 2023 einen Teilbetrag von 100 Mio. GBP und danach einen Teil des Jahresumsatzes von etwa 60 Mio. GBP für Initiativen für sicheres Glücksspiel bereitzustellen.
Um zu entscheiden, wie mit dem Geld verfahren werden sollte, gründete Lord Chadlington ein Komitee mit dem Titel „Action Against Gambling Harm“. Deren Mitglieder sind unter anderem Liz Ritchie, deren Sohn sich wegen seiner Spielsucht das Leben nahm, und Tracey Crouch, die als Ministerin für Sport, Medien und Soziales federführend bei der Kürzung der FOBT-Einsätze um 98 % war.
Aktualisierung der Glücksspiel-Gesetzgebung und mehr Forschung notwendig
Lord Chadlington sprach sich für eine Aktualisierung der Glücksspiel-Gesetzgebung aus. Nach Meinung des britischen Politikers und Geschäftsmanns sei der Erlass neuer und strengerer Vorschriften notwendig.
Die bestehenden Gesetze seien aufgrund des wachsenden Anteils an Online Glücksspielen nicht mehr zweckdienlich. Dies habe vor allem mit der Ausbreitung des Internets zu tun.
Lord Chadlington kommentiert:
„Die derzeitige Gesetzgebung ist für 2020 nicht mehr angemessen, da wir bei der Ausarbeitung im Jahr 2005 eine Internet-Verbreitung von etwa 18 % im Land hatten, und jetzt sind es über 90 %, so dass das Gesetz im Online Bereich nur sehr wenig greift.“
Lord Chadlington sagte weiterhin, dass es an Untersuchungen mangele, die sich mit Online Spielen und den daraus resultierenden Schäden auseinandersetzten, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen.
Der Politiker merkte darüber hinaus an, dass Videospiele für Kinder der Einstieg ins Glücksspiel sein könnten. Daher seien Studien über Online Spiele und die damit verbundene Wahrscheinlichkeit, dass Kinder sich später dem Glücksspiel zuwenden könnten, notwendig.
Der Politiker führt aus:
„Wenn man sich Kinder ansieht, die auf ihren Handys spielen, sind die Intensität und die Zeit, die sie spielen, beunruhigend, weil sie es so oft tun. Wenn sie tatsächlich mentale Pfade schaffen, die sie zum Spielen führen, ist dies etwas, was wir regulieren müssen.“
Glücksspiel-Gegner fordern: Die Branche muss noch mehr abgeben
Die Branche erzielte bis März 2019 mit Online-Glücksspielen einen Umsatz von 5,3 Mrd. GBP, was einem Marktanteil von 37 % entspricht. Bis Ende März 2015 verzeichnete die Branche einen Umsatz von 1,5 Mrd. GBP.
Glücksspiel-Branche verzeichnet hohe Gewinne und könnte noch mehr abgeben. (Bild: pixabay.com)
Ein Bericht des Forschungsunternehmens Ipsos Mori vom Juli ergab, dass der Betrag, den die Spieler für Online-Glücksspiele ausgegeben hätten, zwischen 2015 und 2018 um 24 % auf 329 Mio. GBP gestiegen sei.
Aktivisten sagen, die Bemühungen der Branche, sich selbst zu bereinigen, seien ein zynischer Schritt, um mehr Regulierung zu verhindern, und der zugesagte Betrag reiche nicht aus.
Adam Bradford, Gründer der Safer Online Gambling Group, sagt dazu:
„Es muss das Zehnfache sein und jeder einzelne Anbieter im Land muss einen bestimmten Betrag seines Gewinns abgeben. Die Unternehmen entwickeln sich sehr schnell und geben Hunderte von Millionen für [Forschung und Entwicklung] und neue Produkte aus. Nur ein geringfügiger Betrag geht in das problematische Spiel.“
Bradford führte aus, der Anteil des Glücksspielunternehmens Flutter Entertainment an der ursprünglichen 100-Millionen-Pfund-Zusage betrage weniger als ein Fünftel der Einnahmen seiner britischen Wettbüros allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres.
Somit sei es den Unternehmen möglich, noch mehr in den Spielerschutz zu investieren. Ob die Glücksspielbranche der Forderung nach weiteren Abgaben jedoch nachkommen wird, bleibt abzuwarten.