Donnerstag, 21. November 2024

Glücksspiel-Legalisierung: Fachärzte warnen vor steigender Spielsucht

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Ärzte und Therapeuten der Paracelsus-Kliniken befürchten einen Anstieg der Spielsucht bei jungen Erwachsenen, wenn der Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) 2021 in seiner derzeitigen Form in Kraft treten werde. Die Experten riefen die Entscheidungsträger in einem Statement am Montag dazu auf, sich gegen die Ratifizierung des GlüStV zu entscheiden.

Durch das Gesetz würden bislang verbotene oder in Ausnahmefällen geduldete Online-Glücksspiele wie Online-Casinos oder -Poker legalisiert, kommentierte Dr. Peter Subkowski, Ärztlicher Direktor der Paracelsus-Wittekindklinik und Paracelsus-Berghofklinik in Bad Essen.

Solche Online-Angebote sind ein niedrigschwelliger Einstieg in das Glücksspiel und bringen nicht nur die Gefahr der Spielsucht für Tausende von Nutzern mit sich, sondern gefährden auch Patienten, die den Ausstieg gerade erst mühsam geschafft haben.

Zwar sei die Implementierung von Schutzmaßnahmen wie Einzahlungslimits, Werbeeinschränkungen, Sperrvorrichtungen und Systemen zur Erkennung problematischen Spielverhaltens vorgesehen, diese seien aber nicht ausreichend, so Dr. Subkowski.

Große Gefahr für junge Menschen und ehemalige Spielsüchtige

Jugendliche und junge Erwachsene seien besonders gefährdet, da die Spiele in den Online-Casinos normalen PC-Spielen ähnelten, die den jungen Menschen bereits von Handy- und PC-Spielen bekannt seien.

Besagte virtuelle Glücksspiele würden als harmlose Form der Unterhaltung beworben, bedeuteten aber den realen Verlust hoher Geldbeträge, erklärte Dr. Subkowski.

Junge Spieler könnten leicht den Überblick über die Ausgaben verlieren. Indem sie versuchten, Verluste durch höhere Risiken auszugleichen, gerieten sie schnell in einen Teufelskreis, so der Experte.

Limit von 1.000 Euro Limit zu hoch

Die Fachleute kritisieren auch das Einzahlungslimit von 1.000 Euro pro Monat. Dieser Betrag sei deutlich zu hoch angesetzt, denn er ermögliche bereits ein exzessives Spielverhalten, sagte der Geschäftsführer Rehabilitation der Paracelsus-Kliniken und Vorstandsmitglied im Fachverband Sucht e.V., Tobias Brockmann.

Bereits 1.000 Euro könnten bei Familien mit niedrigem Einkommen eine Gefährdung der Existenz bedeuten, zumal sich die Spielaktivitäten nicht allein auf die Online-Casinos beschränkten.

Zusätzlich müsse das Glücksspiel in den terrestrischen Spielhallen und an den Kiosken in Betracht gezogen werden. Laut dem Jahresreport der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder 2019 seien 11 Mrd. Euro legal umgesetzt worden.

Eine weitere stark gefährdete Gruppe seien ehemalige Spielsüchtige. Die ständige Verfügbarkeit von Glücksspielen bedeute ein dauerndes Rückfallrisiko. Auch die Sperre, die einen Ausschluss von mehreren Monaten bis zu einem Jahr vorsehe, sei zu kurz gegriffen, da ein stabiler Genesungsprozess dieser Patienten mehrere Jahre dauere.

Die Liberalisierung des Online-Glücksspiels sei deutlich verfrüht, zumal die Glücksspielbehörde zum Start des GlüStV am 1. Juli noch gar nicht ihre Arbeit aufnehmen könne.

Zudem sei eine stärkere Berücksichtigung medizinischer und wissenschaftlicher Erkenntnisse notwendig. Aus Sicht der Suchtexperten dürfe der Staatsvertrag nicht in dieser Form in Kraft treten.