Mittwoch, 30. Oktober 2024

Experten-Interview mit Dr. Sabine T. Ruh: Werden Finanzwetten zum neuen Glückspiel?

Aktienkurs|Dr. Sabine Theadora Ruh (Bild: struh.de)

Berichte über die milliardenschwere Spekulation mit GameStop-Aktien haben Leser kürzlich weltweit in Atem gehalten. Unsere Nachrichtenredaktion hat sich darüber mit der CasinooOnline.de-Finanzexpertin Dr. Sabine Theadora Ruh unterhalten. Sie gibt Antworten auf die Frage, inwieweit die Aktienspekulation zu einer neuen Form des Online-Glücksspiels geworden ist und ob die Entwicklung mit dem Sportwetten-Boom verglichen werden kann.

CasinoOnline.de: Was führte dazu, dass an den Börsen Kleinanleger gegen Hedgefonds-Magnaten antraten?

Dr. Sabine Theadora Ruh

Dr. Sabine Theadora Ruh (Bild: struh.de)

Dr. Sabine Theadora Ruh: Durch die Digitalisierung haben mittlerweile auch Kleinanleger die Möglichkeit, über Online-Broker in Echtzeit mit Aktien zu handeln. Der früher den Finanzprofis vorbehaltene direkte Zugang zum Aktienmarkt steht damit allen Interessierten offen. Doch Finanz-Investments sind immer risikobehaftet. Die Selbstverantwortung des Einzelnen sollte deswegen steigen. Klar ist aber natürlich auch: Bei jedem Aktienkauf gehen Anleger – wie beim Glücksspiel – eine Wette ein, beispielsweise auf die positive Entwicklung eines Unternehmens.

CasinoOnline.de: Aber haben bei GameStop die Hedgefonds nicht gegen eine positive Entwicklung gewettet?

Das stimmt. Die Aktie dieser vorher kaum beachteten amerikanischen Einzelhandelskette für Computerspiele und Unterhaltungssoftware sackte nach und nach ab. Das Geschäftsmodell scheint nicht mehr zeitgemäß. Das erkannten Hedgefonds-Manager und setzten auf Leerverkäufe, also auf das weitere Fallen des Kurses. Doch das Gegenteil geschah: Befeuert durch Berichte auf Online-Foren für private Kleinanleger stiegen nach und nach viele weitere Privatanleger in die Aktie ein. Der Kurs stieg dadurch von 20 Dollar auf zeitweise über 480 Dollar.

CasinoOnline.de: Heißt das, alle Kleinanleger sind nun auf der Gewinnerseite?

Leider nein. Extreme Gewinne gehen oft einher mit starken Verlusten, ähnlich wie beim Online-Glücksspiel. Doch wer denkt, aufgrund von Erfolgen bei Sportwetten auch bei Finanzwetten automatisch ein Experte zu sei, irrt. Gerade Kleinanleger oder Anfänger steigen an der Börse oder am Finanzmarkt oft spät ein, erst dann, wenn der Trend längst läuft. Damit zahlen sie relativ mehr für ihr Investment. Ist der Lauf dann zu Ende, erkennen sie dies zu spät, zögern womöglich noch, und verlieren dadurch mehr.

CasinoOnline.de: Ist GameStop kein Einzelfall?

GameStop ist nur ein aktuelles Beispiel von vielen weiteren, bei denen ebenfalls Schwarm-Anleger – man muss hier von Millionen ausgehen – die Kurse stark beeinflussen. Man spricht schon von einem Machtkampf an der Börse und die neue amerikanische Finanzministerin rief die obersten Aufseher der Wall Street wegen der Kursschwankungen zur Besprechung herbei. Mittlerweile ist der Kurs von GameStop schon wieder deutlich gesunken.

Übt die Börse Ihrer Meinung nach einen ähnlichen Reiz wie Online-Glücksspiel und Sportwetten aus?

Das kann man so sehen. An der Börse ist es eigentlich egal, worauf die Teilnehmer setzen. Ob beim Kauf einer DAX30-Aktie, bei einem Investment in einen Rohstoff wie Silber oder in eine Krypto-Währung, es handelt sich um eine Art Wette. Dabei, auch klar, mit unterschiedlichem Risiko.

Es geht immer darum, Chancen zu suchen, zu erkennen und finanziell einzusteigen. Manchmal gewinnt man, manchmal verliert man. Der Vergleich mit Online-Glücksspiel und Sportwetten ist dabei durchaus angebracht.

Sehen Sie hier wie auch beim Online-Glücksspiel die Gefahr der Sucht?

Durch die relativ neuartigen Neobroker oder Smartphone-Broker bietet sich für viele Neueinsteiger der Aktienhandel schnell und unkompliziert an. Mit Gamification-Elementen passen sich die Anbieter der jungen Zielgruppe an.

Es ist auch feststellbar, dass gerade in der Corona-Pandemie die wenig Aktien-affinen Deutschen sich dem Thema annähern: So sollen sich in dieser Zeit weit über eine Million Menschen in Deutschland erstmals an die Börse gewagt haben. Dieser Trend wird belegt durch traditionelle Anbieter, die ebenfalls über ein starkes Neugeschäft berichten.

Eine von den Trading-Apps ausgehende möglich Suchtgefahr wird von Forschern schon diskutiert. Der Handel erfolgt durch den direkten Zugang über das Handy deutlich schneller, als es früher bei Börsenwetten der Fall war. Doch auch damals gab es schon prominente Fälle.

Wie startet man denn erfolgreich an der Börse?

Auch hier passt der Vergleich zum Glücksspiel: Man sollte das Risiko immer anhand der zur Verfügung stehenden Informationen und den eigenen finanziellen Mitteln kalkulieren. Das bedeutet: Ist man unerfahren und nicht so gut bei Kasse, sollte man sich erst einmal schlau machen und mit Einsätzen spekulieren, die die finanziellen Reserven nicht über Gebühr beanspruchen. Sonst gehört man, ob beim klassischen Glücksspiel, bei Sportwetten oder an der Börse, schnell zu den Verlierern. Denn darum geht ja immer: um Börsen-Wetten.

Vielen Dank, Frau Dr. Ruh, für das ergiebige Gespräch. Ich denke, unsere Leser haben viel über die Nähe zwischen Glücksspiel und Finanzwetten erfahren und wie man sich als Einsteiger auf dem Börsenparkett verhalten sollte.