Mittwoch, 30. Oktober 2024

Dopingskandal: Skilangläufer Johannes Dürr verhaftet

Johannes Dürr|Johannes Dürr|Max Hauke

Am Dienstag berichteten die Medien, dass der österreichische Skilangläufer Johannes Dürr (32) verhaftet worden sei, nachdem er selbst im Januar die Ermittlungen gegen eine weitverzweigte Doping-Affäre im Skisport angestoßen hatte. Bisweilen gestanden acht weitere Skiläufer, sich des Eigenblutdopings schuldig gemacht zu haben.

Der Informant auf der Anklagebank

Der aktuelle Doping Skandal der Nordischen WM im österreichischen Seefeld nimmt ungeahnte Ausmaße an. Begonnen hatte das Thema mit dem niederösterreichischen Skilangläufer Johannes Dürr, der über Monate gemeinsam mit der ARD an der Dokumentation „Geheimsache Doping: Die Gier nach Gold – der Weg in die Dopingfalle“ arbeitete.

Seit der Ausstrahlung der Reportage am 17. Januar 2019 liefen die Ermittlungen gegen mehrere Sportler des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV) auf Hochtouren. Geleitet werden diese von Jurist und Wiener Brigadier Dieter Csefan, dem Leiter des Büros Organisierte Kriminalität des Bundeskriminalamts Österreich.

Nach den Razzien und Festnahmen Mitte letzter Woche wurde nun am gestrigen Dienstag Johannes Dürr selbst ins Innsbruck verhaftet. Csefan verkündete gegenüber den Medien, dass es sich bei den Vorwürfen um schweren Betrug, Sportbetrug und Verstöße gegen das Anti-Doping-Gesetz handle.

Wie die österreichische Zeitung „Der Standard“ verlauten ließ, sei Dürr selbst innerhalb der letzten Wochen auch wenig kooperativ gewesen, was die Verhaftung ebenfalls begründen könnte. Bis Donnerstagnachmittag müsste die Justiz nun entscheiden, ob Dürr in Untersuchungshaft bleibt oder freikommt.

Johannes Dürr wurde am 12. März in Göstling, Niederösterreich geboren und interessierte sich schon als Kind für den Wintersport. Mit nur 12 Jahren bestritt er seinen ersten Skilanglaufwettkampf bei den NÖ Meisterschaften. Seine Matura absolvierte er 2006 am Skigynasium Stams und begann anschließend unmittelbar seine Profisportkarriere im österreichischen Bundesheer.

Im Jahr 2014 jedoch wurde er während der Olympischen Spiele in Sotschi erstmals positiv auf Doping getestet. Während einer Kontrolle konnte nachgewiesen werden, dass er seine Leistungen mit EPO gesteigert hatte. Er gab es zu und stand bis zum Jahr 2018 unter einer Dopingsperre. Bei der nordischen Ski WM 2019 in Seefeld wollte er um jeden Preis teilnehmen und damit seine Sportlerkarriere abschließen.

Konkretere Hinweise über den potentiellen Grund der Verhaftung seien auch von ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel und ÖSV-Langlaufleiter Markus Gandler gekommen.

Diese hätten ausgesagt, dass die Skilangläufer Max Hauke und Dominik Baldauf, gegen die ebenfalls ermittelt wird, Dürr beschuldigt hätten, den Kontakt mit dem Erfurter Arzt Mark Schmidt für sie hergestellt zu haben.

Dürrs Anwalt indes sagte dem ORF gegenüber, dass diese Anschuldigungen nicht der Wahrheit entsprächen. Dennoch blieben Hauke und Baldauf bei ihrer Version der Dinge.

Ein Arzt für alle Fälle

Die erdrückendsten Beweise jedoch lasten derzeit auf den Schultern des in der Branche sehr bekannten Arztes Mark Schmidt. Dieser wird aktuell in den Medien als hauptsächlicher Drahtzieher des gesamten Skandals betitelt.

Bei der Razzia am letzten Mittwoch seien bei ihm 40 Blutbeutel sichergestellt worden. Diese seien mit Kürzeln und Codes gekennzeichnet, an deren Entschlüsselung die Ermittler jetzt arbeiteten. Schmidt soll Berichten zufolge kooperieren. Dennoch drohe ihm eine lange Haftstrafe.

Bereits vor zehn Jahren saß der Arzt aus Erfurt auf der Anklagebank. Damals war er in einen Dopingfall rund um das Profiradteam Gerolsteiner verwickelt. Genau wie damals habe Schmidt auch jetzt verschiedene Sportler beim Eigenblutdoping unterstützt.

Wie funktioniert Eigenblutdoping?

Beim Eigenblutdoping lassen sich Sportler einige Wochen vor einem Wettkampf zirka einen Liter des eigenen Blutes entnehmen. Mithilfe von Höhentraining oder Zufuhr des Wachstumsfaktors EPO wurde im Vorfeld bereits die Konzentration der roten Blutkörperchen im Blut erhöht. Das entnommene Blut wird dann mithilfe einer Zentrifuge in rote Blutkörperchen und alle restlichen Bestandteile aufgeteilt.

Die gewonnene Konzentration der roten Blutkörperchen wird mit Gerinnungshemmern versehen und gekühlt aufbewahrt. Am Tag des Wettkampfes wird das Konzentrat dem Sportler dann zurück in den Blutkreislauf gespritzt. Die nun deutlich erhöhte Zahl roter Blutkörperchen sorgt für bessere Leistungsfähigkeit und Ausdauer, da mehr Sauerstoff schneller durch den Körper transportiert wird.

Der komplexe Prozess erfordert die richtigen Gerätschaften und die Fachkenntniss eines Arztes. Der ARD zufolge soll Schmidt vermutlich pro Sportler pro Saison zwischen 8.000 und 15.000 Euro für seine Behandlung verlangt haben.

Acht Geständige nach Razzia

Seit den Razzien gestanden bereits acht Sportler, sich des Blutdopings mit Dr. Schmidt schuldig gemacht zu haben. Angesichts der großen Anzahl gefundener Blutbeutel erwarten die Ermittler noch viele weitere Geständnisse. Ermittlungsleiter Csefan ist in der Tat sehr zuversichtlich, denn mit einer rechtzeitigen Selbstanzeige könnten Sportler ihre Strafen deutlich abmildern.

Max Hauke

Max Hauke auf frischer Tat ertappt (Bild: Wikipedia)

Die fünf am Mittwoch festgenommenen Sportler seien inzwischen zunächst wieder entlassen worden. Einer von ihnen war der Este Karel Tammjäri, der im Rahmen einer Pressekonferenz in seinem Heimatland neue Details hervorbrachte. Neben dem Erfurter Arzt fiel dabei auch der Name von Trainer Mati Alayer.

Die anderen verhafteten waren der Este Andreas Veerpalu, der Kasache Alexes Poltoranin und die genannten Österreicher Dominik Baldauf und Max Hauke. Besonders die Verhaftung des letzteren war äußerst spektakulär, denn er wurde „auf frischer Tat ertappt“, als ihm eine Krankenschwester gerade die Blutinfusion gab.

In den folgenden Tagen und Wochen ist mit vielen weiteren Details und neuen Enthüllungen zu rechnen. Klar ist, dass dies der wohl größte Dopingskandal des österreichischen Skisportes ist.

Doch es schwebt längst eine weitere Frage im Raum: ist der Skandal wirklich auf Österreich begrenzt? Bisher bestreitet der Deutsche Skiverband vehement, mit dem Erfurter Arzt in Verbindung zu stehen. Gleiches gelte für den Thüringer Skiverband und den Olympiastützpunkt. Ohne Zweifel jedoch bleibt der Fall vorerst spannend.