Freitag, 29. November 2024

Kreuzzug oder Wissenschaft: Britisches Ärzteblatt bezeichnet Glücksspiel als Gesundheits­risiko

Arzt

In dieser Woche hat das britische Ärzteblatt The Lancet Public Health angekündigt, dass es eine eigene Kommission für Glücksspiele an den Start gebracht habe. Es handele sich dabei um eine wissenschaftliche Untersuchung als Reaktion auf eine verschlechterte öffentliche Gesundheit.

Nach Ansicht der Autoren des Artikels [Seite auf Englisch] seien das Glücksspiel und die mit ihm verbundenen gesundheitlichen Schäden zu lange vor der öffentlichen Gesundheitskontrolle „verborgen“ geblieben. Die einberufene Kommission wolle diese „Fehlentwicklung“ nun korrigieren.

Gleichstellung von Glücksspiel und Glücksspielsucht?

Glücksspiel sei nach Argumentation des Ärzteblattes keine „gewöhnliche Aktivität“. Es handele sich um ein „suchterzeugendes Verhalten“, das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in die „Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsprobleme“ (ICD) aufgenommen worden sei.

Die ICD-11, die 11. Version der „International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems”, wurde im Mai 2019 veröffentlicht. Sie beinhaltet insgesamt fünf neue Kapitel und erkennt die Abhängigkeit von Computerspielen erstmals als Erkrankung an. Diese sowie das pathologische Glücksspiel ordnet sie den Verhaltensstörungen zu.

Glücksspiel sei eine Quelle von ernsten und weitreichenden Schäden, die sowohl die individuelle Gesundheit und den Wohlstand als auch persönliche Beziehungen beeinträchtige.

Untersuchungsgegenstand, Vorgehen und These unbenannt

Die Glücksspiellandschaft habe sich durch die Nutzung des Internets und der Smartphones vollständig geändert. Bislang sei zudem unklar, welche Auswirkungen die Covid-19-Pandemie auf das Suchtverhalten habe. Nach Meinung der Autoren könne Covid-19 und der damit verbundene Lockdown ein Risiko für Suchterkrankungen darstellen.

Unklar bleibt allerdings, ob die Kommission sich der Untersuchung möglicher durch die Glücksspielsucht verursachter Schäden widmen oder die Inzidenz der Suchterkrankungen unter Glücksspielern untersuchen wolle. Auch der Zusammenhang zwischen der einberufenen Kommission und dem Einfluss der Covid-19-Pandemie auf pathologisches Spielverhalten bleibt unerwähnt.

Anders als dies bei wissenschaftlichen Analysen gewöhnlicherweise der Fall ist, werden, wie verschiedene Medien kritisieren, weder der genaue Forschungsgegenstand noch das Studiendesign benannt. Stattdessen prognostizieren die Autoren jedoch:

Die Glücksspielindustrie wird sich stark widersetzen und gegen Vorschläge argumentieren, Interventionen einzuführen, die ihre kommerziellen Aktivitäten regulieren oder einschränken könnten.

Die Kommission sei sich, so die Autoren abschließend, ihrer Herausforderungen bewusst. Sie werde wissenschaftlich und multidisziplinär arbeiten und die Änderung politischen Handelns zum Ziel haben.