Verhandlungen zum Glücksspielstaatsvertrag: Automatenindustrie fordert mehr Beachtung
Die deutsche Automatenindustrie zeigt sich zunehmend unzufrieden mit dem Verlauf der Verhandlungen zum neuen Glücksspielstaatsvertrags. Dies machte der Vorstandssprecher der Deutschen Automatenwirtschaft (DAW) im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) deutlich. Gleichzeitig ist auch die Branche selbst nicht vor Kritik gefeit: Suchtexperten werfen der Industrie vor, Neuregelungen zum Spielerschutz „offensichtlich zu umgehen“.
Zu viel Augenmerk auf Online Casinos?
Ab Sommer 2021 soll der dritte Glücksspielstaatsänderungsvertrag für Ordnung auf dem deutschen Glücksspielmarkt sorgen. Die Verhandlungen sind in vollem Gange.
Nun meldet sich die Deutsche Automatenwirtschaft zu Wort. Gegenüber der FAZ bemängelt Vorstandssprecher Georg Stecker eine einseitige Betrachtung der Thematik durch die Politik. Während Online Casinos und Sportwetten die Diskussion um die Regulierung des Marktes dominierten, würden Spielautomaten in den gegenwärtigen Verhandlungen nicht ausreichend berücksichtigt.
Obwohl seine Branche in Deutschland jährlich rund sechs Milliarden Euro umsetze, fände sie in der aktuellen Debatte nicht statt. Gleichzeitig erkennt der Interessenvertreter ein Ungleichgewicht im allgemeinen Umgang mit Off- und Online-Glücksspiel zu Ungunsten der Automatenindustrie.
Während sich die legal operierenden Spielhallen an eine Begrenzung der Spielgeräte und Mindestabstände zwischen den einzelnen Betrieben zu halten hätten, florierten „scheingastronomische Café-Casinos“ und illegale Online Angebote. Es sei Aufgabe der Politik, eine kohärente Regelung für alle Formen des Glücksspiels zu finden, so Stecker:
Wir brauchen den großen Wurf und gleiche Spielregeln für alle. Diese Neuordnung darf sich nicht nur auf einzelne Teilbereiche des Glücksspiels, wie Sportwetten oder das Online-Spiel, beschränken. Es macht keinen Sinn, wenn Spielhallen nach Abstand reguliert werden, während online an jedem Ort gespielt werden kann.
Einbußen durch neue technische Richtlinie
Die Automatenindustrie kritisiert bereits seit langem, Nachteile hinnehmen zu müssen, die sie durch die Einführung strengerer Vorgaben zum Betrieb von Spielhallen und -geräten erleide.
Je nach Bundesland gelten seit dem vergangenen Jahr unterschiedliche Mindestabstände zwischen einzelnen Spielhallen. Betriebe, die sich in der Nähe von Schulen befinden erhalten keine Konzession mehr.
Neben Neuerungen zur Maximalanzahl der Spielgeräte in einem Lokal und Vorgaben zur Suchtprävention gelten seit 2018 auch neue technische Vorgaben für Spielautomaten. Diese sollen dem unkontrollierten Spiel unter anderem durch Entschleunigung entgegenwirken.
Am 10.November 2018 endete die von der Politik gewährte Übergangsfrist zur Umsetzung der „7. Verordnung zur Änderung der Spielverordnung“ von 2014. Seither müssen Spielautomaten der technischen Richtlinie 5.0 entsprechen.
Diese legt den maximalen Verlust auf 60 EUR pro Stunde und Spieler fest. Zuvor lag er bei 80 EUR. Der Höchstgewinn wurde von 500 EUR auf 400 EUR begrenzt. Die Taste zum automatischen Spiel wurde abgeschafft, eine Mindestspieldauer von 5 Sekunden pro Runde eingeführt.
Nach jeweils einer Stunde legt das Gerät eine automatische Pause von 5 Minuten ein. Nach drei Stunden erfolgt zusätzlich eine Speicherleerung.
Einsätze und Gewinne müssen laut TR 5 in Euro und Cent angezeigt werden. Eine ausschließliche Darstellung als Punkte ist nicht erlaubt.
Für das Jahr 2019 rechnet die Branche eigenen Angaben zufolge aufgrund der Neuerungen mit Einbußen im zweistelligen Prozentbereich.
Suchtexperten: Industrie umgeht Vorgaben
Werden die neuen Vorgaben in Spielhallen umgangen? (Quelle:Graf Foto, licensed under CC BY-SA 3.0)
Tatsächlich erkennen auch Suchtexperten eine Abwanderung von Automatenspielern hin zu illegalen ungeregelten Angeboten in Hinterzimmern und legalen Automaten in Spielbanken, deren Beschränkungen geringer sind.
Als Opfer der Neuregelungen will man die Automatenindustrie dennoch nicht verstanden wissen. Das Problem sei, dass der Wortlaut der TR 5.0 definitorische Lücken aufweise. Diese hätten sich die Hersteller zunutze gemacht.
Seither gelte am Automaten offiziell die Umwandlung der Einzahlung in Punkteguthaben als „Spiel“. Das Geschehen auf dem Display sei lediglich als eine Art zusätzlicher Unterhaltung zu verstehen.
Während das „Spiel“ der TR 5.0 entspräche, böte das „Unterhaltungsgeschehen“ nach wie den hohen Spielanreiz, den das Gesetz eigentlich habe verringern wollen, so ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes Hannover Medienberichten zufolge. Durch die Umdeutung des Spielgeschehens gelinge es den Anbietern, sich an die neuen Vorgaben zu halten und die dem Spielerschutz dienenden Ideen dennoch zu umschiffen.
Fingerspitzengefühl gefragt
Die Abwägung der Interessen von Automatenindustrie, privaten Anbietern, staatlichen Lotteriegesellschaften und Spielerschützern scheint ebenso kompliziert, wie die Debatte zwischen einzelnen Bundesländern um die Legalisierung des Online Glücksspiels in Deutschland.
Welche Antworten die Politik auf die vielen Fragen im Kontext des neuen Glücksspielstaatsvertrags finden wird, darf mit Spannung erwartet werden.