Donnerstag, 21. November 2024

Gewalt und illegales Glücksspiel: Neue Erkenntnisse zu Leverkusener Al-Zein-Clan

Gewalt Symbolbild

Das Netzwerk krimineller Mitglieder eines in Nordrhein-Westfalen ansässigen Familienclans scheint einflussreicher zu sein, als bislang von der Öffentlichkeit angenommen. Dies berichtet der Kölner Stadtanzeiger (KStA) unter Berufung auf intensive Recherchen. Seit Jahrzehnten operiere das „Al-Zein-Syndikat“ von Leverkusen aus. Neben anderen Delikten gehe es immer wieder auch ums illegale Glücksspiel.

Großfamilie als Verbrechersyndikat?

In einer gestern veröffentlichter Pressemitteilung weist der KStA auf seine „exklusiven Recherchen“ zum ursprünglich libanesischen Al-Zein-Clan hin. Die in Deutschland rund 3.000 Mitglieder zählende Großfamilie war zuletzt im Juni bundesweit in die Schlagzeilen geraten. Damals hatte ein Großaufgebot der Behörden, inklusive Sondereinsatzkräften der Polizei, Immobilien verdächtiger Clan-Mitglieder gestürmt.

Laut KStA agiere der Al-Zein-Clan seit knapp 20 Jahren international als Verbrechersyndikat. Unter anderem seien Mitglieder immer wieder durch Schutzgelderpressung, Überfälle, Entführungen, Geldwäsche, Sozialleistungsbetrug und illegales Glücksspiel aufgefallen.

Im Februar hatte das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt seine Jahresbilanz 2020 veröffentlicht. Unter anderem war dabei deutlich geworden, dass die Beamten das illegale, oft von kriminellen Clan-Strukturen betriebene Glücksspiel in den Fokus genommen hatten. Allein im Großraum Dortmund/Lünen seien 225 Kontrollen in Wettbüros, Spielhallen und Shisha-Bars durchgeführt worden. In der Folge habe es 57 Festnahmen und 251 Strafanzeigen gegeben.

Friedensrichter und Silvester-Sänger

Trotz mehrerer Prozesse seien das Familienoberhaupt Badia Al-Zein und viele seiner Angehörigen oft überraschend glimpflich davongekommen. Unter Berufung auf Ermittlerkreise berichtet der KStA:

Die Strafverfolger (…) konstatierten später, dass die Clan-Bosse „durch Bedrohung und Einschüchterung es schaffen, Zeugenaussagen zu ihren Gunsten abzuändern und so einer Verurteilung entkommen“.

So geschehen unter anderem bei einem Prozess vor dem Essener Landgericht im September 2019. Damals hatten sich der Clan-Chef und weitere Familienmitglieder verantworten müssen, weil sie einen Essener Gastronomen angeschossen und mit einem Schlagstock schwer verletzt haben sollten. Zudem sei das Mobiliar im Restaurant des Mannes zerstört worden.

Hintergrund sei eine Art Schutzgelderpressung gewesen, auf die sich der Wirt nicht eingelassen habe. So habe zuvor ein „Friedensrichter“ entschieden, dass er dem Clan 5.000 Euro zahlen müsse, weil er zu einer Silvesterfeier einen Sänger gebucht habe, den die Al-Zeins für ihr eigenes Fest hatten engagieren wollen.

Während das Opfer die mutmaßlichen Täter während der Ermittlungen schwer belastet hatte, widerrief es seine Angaben vor Gericht. Elf weitere Zeugen seien laut KStA gar nicht erst zum Prozess erschienen.

Heute sei klar, dass das Al-Zein-Netzwerk insbesondere auf das Opfer massiven Druck ausgeübt habe. Neben einer Vielzahl von Drohungen seien aber auch finanzielle Anreize gesetzt worden. So belegten abgehörte Telefongespräche, dass dem Opfer 25.000 Euro geboten worden seien, falls es seine Aussage zurücknehme. Offenbar verfing die Methode: Die Verfahren seien gegen Zahlung eines dreistelligen Betrages eingestellt worden.

Laut KStA sähen Kriminalbeamte entsprechende Prozessverläufe mit Sorge. Es bestehe die Gefahr, fatale Signale zu senden. So könnten die Kriminellen das scheinbar minimale Risiko einer Verurteilung bei entsprechend großem Druck auf die Opfer bei künftigen Straftaten von vornherein einkalkulieren.