Montag, 25. November 2024

Überraschende Erkenntnisse aus Spielsucht-Doku von Ex-Fußballer Paul Merson

Paul Merson BBC|Liste Hand

Am Montag hat die BBC [Seite auf Englisch] erstmals die Reportage „Paul Merson: Football, Gambling & Me“ ausgestrahlt, die gemeinsam mit dem Ex-Fußballer produziert wurde. In dem einstündigen Dokumentarfilm beleuchtet der ehemalige Premier-League-Spieler seine jahrzehntelange Spielsucht-Erkrankung und versucht, deren Ursachen auf den Grund zu gehen.

Merson, der heute als Fußball-Experte für Sky Sports arbeitet, war mit seiner Spielsucht bereits 2019 an die Öffentlichkeit gegangen. Der ehemalige Arsenal-Star enthüllte nach und nach Details über seine Alkohol-, Kokain- und Spielsucht. Letztere beschreibt er als die zerstörerischste aller Süchte.

Seine Spielsucht habe ihn mehrere Millionen Pfund, seine Ehe, seine Familie und seine Selbstachtung gekostet. Nach einem Rückfall im Zuge der Corona-Krise 2020 spiele er heute nicht mehr, doch dies bedeute einen täglichen Kampf für ihn.

Spielsucht: MRT-Scan zeigt auffällige Gehirnaktivitäten

Zu Beginn der Reportage trifft Merson auf einen alten Schulfreund. Dieser zeigt ihm alte Bilder aus Schultagen, auf denen Merson mit einem anderen Teenager mit Geldeinsatz Karten spielt.

Gemeinsam schlussfolgern die Freunde, dass die Tendenz zur Spielsucht in dem Ex-Fußballer bereits damals vorhanden gewesen sein müsse. An jenem Abend habe Merson nicht mit dem Spiel aufhören wollen, bis er sein gesamtes Geld, damals neun Pfund, verloren habe.

Auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage, ob die Spielsucht bei ihm quasi „angeboren“ sei, besucht Merson anschließend die auf Glücksspiel spezialisierte Psychologie-Professorin Barbara Sahakian von der Cambridge University. Diese bestätigt ihm, dass seine „Alles-oder-nichts-Persönlichkeit“ ihn zu einem „idealen“ Spielsucht-Kandidaten machen könne. Merson resümiert:

Es scheint, dass hochriskantes Verhalten bei mir in der DNA liegt. Aber diese Impulsivität, die mich auf dem Platz so effizient gemacht hat, hat mich außerhalb davon fast umgebracht. […] Immer wieder hat das Glücksspiel mich beinahe ruiniert, aber ich bin immer dahin zurückgekehrt. Ich muss herausfinden, warum mein Gehirn mich immer wieder überzeugt, das Risiko einzugehen, obwohl ich weiß, dass es immer ein schlechtes Ende nimmt.

Im Imperial College in London unterzieht sich Merson schließlich einem MRT-Scan. Während der Untersuchung werden ihm im Wechsel Bilder vom Glücksspiel und alltägliche Bilder gezeigt, die bei „normalen“ Personen positive Gefühle aufkommen lassen.

Das Ergebnis: Während das Belohnungszentrum seines Gehirns bei Bildern von Essen, Natur und sozialer Interaktion nur minimale Aktivitäten gezeigt hat, waren die Aktivitäten beim Betrachten der Glücksspiel-Bilder um ein Vielfaches höher. Kopfschüttelnd bezeichnet Merson dieses Resultat als „beängstigend“.

Laut Dr. Erritzoe, der den Test durchführte, erzielten alle Patienten mit Spielsuchtproblemen das gleiche Ergebnis. Er hoffe daher, dass Betroffenen basierend auf diesem Ansatz irgendwann gezielt medikamentös geholfen werden könne. Seiner Ansicht nach lasse sich Spielsucht eindeutig als eine „Erkrankung des Gehirns“ bezeichnen.

Fußball und Glücksspiel untrennbar geworden

Neben der persönlichen Geschichte Mersons beleuchtet die Reportage auch das allgemeine Verhältnis zwischen Fußball und Glücksspiel. Recherchen zufolge sind junge Fußballer dreimal anfälliger für ein Spielsucht-Problem als ihre Altersgenossen in anderen Berufsgruppen.

Laut Merson habe das Glücksspielgesetz von 2005 die Weichen dafür gestellt, dass der Fußball und das Glücksspiel immer weiter verschmolzen seien.

Heute ist es fast unmöglich, ein Premier League Spiel anzuschauen, ohne ans Glücksspiel zu denken. Fast die Hälfte aller Premier League Teams werden aktuell durch Glücksspiel-Firmen gesponsert. Jüngste Recherchen haben gezeigt, dass Glücksspiel-Logos während einer TV-Fußball-Übertragung mehr als 700-mal zu sehen sein können.

Gefährlich seien laut Merson insbesondere die von Buchmachern geschalteten TV-Werbeclips, in denen mit der richtigen Musik und den richtigen Bildern positive Emotionen bei den Zuschauern geweckt würden, die sie dann mit dem Glücksspiel in Verbindung brächten. Merson sei überzeugt, dass die Glücksspiel-Firmen für ihr Marketing gezielt mit Psychologen kooperierten, um diesen Effekt zu erzielen.

Liste Hand

Doku zeigt Buchmacher-Daten zu Problemspielern (Bild: BBC iPlayer)

Im Gespräch mit Matt Zarb-Cousin, ehemals spielsüchtig und Gründer der Hilfsorganisation Clean Up Gambling, nimmt Merson auch gezielt Glücksspiel-Firmen ins Visier, die umfangreiche Daten über ihre Kunden sammelten und daher ganz genau wüssten, welche Spieler ein Glücksspielproblem hätten.

Anhand eines Beispiels führt Zarb-Cousin vor, wie ein Buchmacher einen Problemspieler als „Win-Back“ in der Kartei führt, also als einen Kunden, der viel Geld verloren hat und versucht, seine Verluste wieder zurückzugewinnen. Laut Merson grenze diese Art der Datenführung an „pure Boshaftigkeit“.

Die Dokumentation und die darin vorgeführten neuen Erkenntnisse haben seit gestern bereits für große Resonanz gesorgt. Merson erhält auf diversen Social-Media-Plattformen großes Lob für seine schonungslose Offenheit zum Thema. Wie die sehr Glücksspiel-kritische Doku von den zum Teil namentlich genannten Anbietern aufgefasst wird, bleibt abzuwarten.

Merson hoffe jedoch, dass er mit seinem Film etwas bewegen und anderen Betroffenen helfen kann.