Vetternwirtschaft? Streit um Lizenz-Vergabe ungarischer Casinos
Die ungarische Regierung unter Viktor Orbán hat Konzessionen mit einer Laufzeit von 35 Jahren für den Betrieb der fünf ertragreichsten Spielbanken vergeben. Wie das ungarische Nachrichtenportal Telex [Seite auf Ungarisch] Anfang der Woche berichtete, sei die Lizenzvergabe ohne öffentliche Ausschreibung erfolgt. Die ungarische Presse vermutet Vetternwirtschaft.
Bei den Casinos handelt es sich um das Atlantis, das Atrium Eurocenter, das Corvin Promenade, das Sofitel und das Tropicana in Budapest. Diese gehörten einst dem ungarisch-amerikanischen Filmproduzenten Andrew „Andy“ Vajna.
Andy Vajna wurde 1944 in Budapest geboren und siedelte 1956 mit seiner Familie nach Los Angeles, USA, über. Dort gründete er das Filmstudio Carolco Pictures. Durch die Produktion bekannter Action-Streifen wie „Rambo“, „Total Recall“, „Terminator 3“ und „Red Heat“ erlangte er einen hohen Bekanntheitsgrad.
Vajna spielte aber auch in Ungarn eine wesentliche Rolle in der Filmbranche. Nachdem er um die Jahrtausendwende seine geschäftlichen Aktivitäten zunehmend nach Ungarn verlagert hatte, knüpfte er auch Kontakte zum heutigen Ministerpräsidenten Orbán. Dieser machte ihn nach dem Wahlsieg im Jahre 2010 zum Regierungskommissar für das Filmwesen. Seine guten Kontakte zur Regierungsführung ermöglichten Vajna auch den Erwerb mehrerer Casino-Lizenzen.
Nach Angaben von Telex könnte sich der Erwerb der Konzessionen für die neuen Betreiber durchaus lohnen. Die fünf Casinos sollen rund 10 Mrd. HUF (28,7 Mio. Euro) jährlich erwirtschaften.
Vetternwirtschaft im Hintergrund?
Nach Vajnas Tod im Jahr 2019 wurden die Konzessionsrechte von der LVC Diamond Ltd. erworben. Das Unternehmen gehört einem der reichsten ungarischen Geschäftsmänner, István Garancsi.
Auch der ehemalige Londoner Botschafter Kristóf Szalay-Bobrovniczky soll Anteile an dem Unternehmen besitzen. Garancsi und Szalay-Bobrovniczky sollen mit Premierminister Orbán befreundet sein. Letzterer ist zudem der Ehemann der Regierungssprecherin Alexandra Szentkirályi.
Laut Telex sei keine Konzessionsausschreibung erfolgt. Die Lizenzen, die eigentlich erst im Jahre 2024 hätten auslaufen sollen, seien über ein einfaches Angebotsverfahren ohne Kenntnis der Öffentlichkeit vergeben worden.
Erst durch einen Leserbrief habe Telex über die Transaktion Kenntnis erhalten, berichtet das Nachrichtenportal. Einträge auf der Webseite der Glücksspielbehörde [Seite auf Ungarisch] hätten die Information bestätigt.
Gesetze „nach Maß“ für Orbán-Regierung?
Eine Gesetzesvorlage für den Haushalt 2021 dürfte ausschlaggebend für die Vorgehensweise gewesen sein, da mehrere Paragraphen den Glücksspiel- und Konzessionsmarkt betreffen.
So wurde der Betrieb der Spielbanken zu einem „vorrangigen, nationalen Wirtschaftsinteresse“ erklärt. Zudem wurde die Option geschaffen, dass der Minister oder die zentrale Stelle, die für die staatliche Aufsicht von Glücksspielen zuständig ist, eine Konzession neu vergeben kann, wenn die Hälfte der ursprünglichen Laufzeit des zuvor geschlossenen Konzessionsvertrags abgelaufen ist.
Begründet wurde die Entscheidung mit der langfristigen Absicherung von Einnahmen für den Staat durch die Lizenzabgaben. Ein Passus des Gesetzes legitimiert zudem die nicht öffentliche Lizenzvergabe:
Ein Vertrag mit einem zuverlässigen Glücksspielbetreiber kann ohne öffentliche Ausschreibung geschlossen werden.
Die Reaktion der Opposition sei überaus heftig ausgefallen, berichtete der ORF. Von „Landesverrat“ und „grenzenloser Unverschämtheit“ sei die Rede gewesen. Die Opposition soll angekündigt haben, die gesamten Vorgänge rückgängig zu machen, wenn sie die Parlamentswahlen 2022 gewinnen sollte.