Geldwäsche und Steuerbetrug aus Glücksspiel und Immobilien: Heftige Debatte um Meldepolitik
Kanzlerkandidatin Annelena Baerbock hat in der ProSieben-Bundestagswahl-Show an diesem Mittwoch angesprochen, dass Deutschland ein „dickes Problem“ mit Steuerbetrug und Geldwäsche habe. Besonders anfällige Branchen seien nach Expertenanalysen die Immobilien- sowie die Glücksspielbranche. Ob Meldesysteme wie das derzeit heiß diskutierte Online-Portal des Bundeslandes Baden-Württemberg eine Lösung des Problems bieten könnten, gilt jedoch als äußerst umstritten.
Stasi-Methoden oder der nächste Schritt ins digitale Zeitalter?
Das Bundesland Baden-Württemberg hat in dieser Woche ein Online-Meldesystem für Finanzämter eingeführt. Über dieses können Hinweisgeber Steuerstraftaten, wie sie vermehrt in der Glücksspiel-, Bau- und Immobilienbranche vorkommen sollen, anonym melden. Das Meldesystem hat jedoch schnell für Kritik an Baden-Württembergs grünem Finanzminister Danyal Bayaz geführt. Das Portal, so der Vorwurf vonseiten der SPD, FDP und AfD, säe Misstrauen und fördere das Denunziantentum.
Deutlicher noch wurde die „Bild“-Zeitung. So titelte sie „Grünen-Minister führt Steuer-Stasi ein“. Ein Vorwurf, den Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock in der ProSieben-Bundestagsshow als unangebracht kritisierte:
Vor 30 Jahren sind Menschen in Deutschland auf die Straße gegangen, um für Freiheit zu kämpfen, die von der Stasi verfolgt worden sind und dass jetzt mit Blick auf die Frage von Steuerbetrug solche Labels geschaffen werden, das verhöhnt aus meiner Sicht all diejenigen, die in einer Diktatur gelebt haben.
Vielmehr, so Baerbock, gehe es darum, dass es in Deutschland ein „dickes Problem“ dahingehend gebe, dass mit Steuerbetrug und Geldwäsche viele Gelder am Fiskus vorbeigeschleust würden.
Auch Bayaz setzte sich gegen die Vorwürfe zur Wehr. Derartige Steueranzeigen seien schon vor dem Online-Portal möglich gewesen. Nun komme zum telefonischen und zum Postweg schlichtweg das digitale Angebot hinzu.
Mehr gemeldete Geldwäsche-Verdachtsfälle
Auch in Bezug auf die Meldungen von Geldwäsche-Verdachtsfallen existieren schon länger erhöhte Anstrengungen. So meldete die zuständige Financial Intelligence Unit (FIU) in ihrem Jahresbericht 2020 einen massiven Anstieg der Meldungen.
Diese seien insbesondere von Notaren eingegangen und auf eine Änderung des Geldwäschegesetztes im vergangenen Jahr zurückzuführen. Diese mache es Notaren in vielen Fällen überhaupt erst möglich, Meldung zu erstatten, ohne ihre Verschwiegenheitspflicht zu verletzen. Dementsprechend hätten Notare im Jahr 2020 rund 1.600 Verdachtsfälle gemeldet, gegenüber 17 Meldungen im Jahr 2019.
Glücksspielanbieter werden durch das Geldwäschegesetz (GwG) ebenfalls besonders in die Pflicht genommen. So sind sie nach § 5 GwG verpflichtet, eine sogenannte Risikoanalyse durchzuführen. Hinzu kommt die Pflicht, die Identität der Kunden zu prüfen und zu dokumentieren. Besteht der Verdacht, dass Spieleinsätze aus einer strafbaren Vortat stammen, sind Glücksspielanbieter nach § 43 GwG zur Meldung verpflichtet.
Im Fall der Geldwäsche scheint die gesellschaftliche Bewertung derartiger Meldesysteme positiver auszufallen. In Sachen Meldung von Steuerbetrug weisen Medien jedoch auch immer wieder darauf hin, dass es sich um öffentliche Gelder handele, die der Gesellschaft zugutekämen und deren Hinterziehung große Lücken in den Staatskassen hinterließen.
In der EU habe der Schaden durch Steuerhinterziehung einer Studie der University of London zufolge allein im Jahr 2015 bei rund 825 Mrd. Euro gelegen. Damit dürfte sie unabhängig von den derzeitigen Schlagzeilen noch länger Teil der Bemühungen der Politik sein.