Freitag, 22. November 2024

NRW und der Glücksspielstaatsvertrag: Streit um kuriose neue Mindestabstände

Landtag NRW Plenarsaal Plenarsitzung

Das Land Nordrhein-Westfalen steht dem neuen Glücksspielstaatsvertrag noch immer mit gemischten Gefühlen gegenüber. Weniger als die Legalisierung des Online-Glücksspiels sorgt derzeit jedoch die geplante Neuregelung für Mindestabstände zwischen Spielhallen und Wettbüros für Aufruhr.

Nachdem sich Ende März bereits die SPD-Fraktion im Landtag kritisch über die geplante Verringerung der Mindestabstände geäußert hat, scheinen nun auch auf kommunaler Ebene die ersten skeptischen Reaktionen zu kommen.

Nur 100 Meter Mindestabstand dank Ausnahmeregelung

Wie der Leverkusener Anzeiger am Mittwoch berichtet hat, mache der aktuelle Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags 2021 den Plänen der Stadt, die Anzahl der Spielstätten weiter zu verringern, einen Strich durch die Rechnung. In Leverkusen sollten künftig ausnahmslos 450 Meter zwischen einzelnen Spielstätten sowie 500 Meter zwischen Spielstätten und Schulen liegen.

Der Gesetzesentwurf des Landes NRW jedoch geht in die entgegengesetzte Richtung. Die oberflächlich weiterhin geltenden Mindestabstände von 350 Metern zwischen zwei Spielhallen sollen immer dann unterschritten werden dürfen, wenn die Spielhallen „zusätzliche qualitative Anforderungen erfüllen“. Der verringerte Mindestabstand beträgt in diesen Fällen 100 Meter.

Im Gesetzesentwurf sind die „qualitativen Anforderungen“ zumindest in Teilen jedoch eher schwammig formuliert:

  • BetreiberInnen müssen über einen „mit Prüfung erworbenen Sachkundenachweis verfügen“.
  • Das Personal muss „besonders geschult“ sein.
  • Zwischen den einzelnen Spielgeräten müssen 2 Meter Abstand bewahrt werden. Alternativ darf dieser auf einen Meter reduziert werden, sofern eine 80 cm lange „Sichtblende“ den Automaten umgibt.
  • Es muss zweimal pro Tag kontrolliert werden, ob genügend Informationsmaterial über Spielerhilfen ausgelegt ist. Die Überprüfung muss protokolliert werden.
  • Ebendiese Informationsmaterialien müssen auch „von außen sichtbar in der unmittelbaren Nähe des Eingangs“ angebracht werden.

Im Gesetzesentwurf wird spezifisch darauf hingewiesen, dass Spielhallen „nicht grundsätzlich verpflichtet“ sind, diese Regelungen einzuhalten. Vielmehr soll die Regelung eine Alternativlösung darstellen, wenn es um die Daseinsberechtigung konkurrierender Spielhallen geht.

Im Falle, dass eine neue Spielhalle innerhalb des 350-Meter-Radius eröffnet werden soll, müsste der bereits bestehende Anbieter zustimmen. Tut er dies, willigt er automatisch in die „zusätzlichen qualitativen Forderungen ein“.

Die Mindestabstände von 350 Metern zu Schulen und Kinder- und Jugendeinrichtungen bleiben von der Ausnahmeregelung unberührt.

Umstrittene Sonderregelung für Wettbüros

Noch „großzügiger“ scheint die Landesregierung sich gegenüber den Wettvermittlungsstellen zu zeigen. Diese sollen künftig Mindestabstände von nur noch 100 Metern einhalten müssen, ohne neue besondere Anforderungen zu erfüllen. Im Gesetzesentwurf wird dies wie folgt begründet:

Die unterschiedliche Behandlung zu den übrigen Spielhallen rechtfertigt sich aus dem unterschiedlichen Suchtpotential von Sportwetten und dem Automatenspiel in Spielhallen […] Die Angebote der Wettvermittlungsstellen werden im Hinblick auf die von ihnen ausgehende Gefährlichkeit […] als vergleichbar mit den Spielhallen angesehen, welche besondere qualitative Kriterien erfüllen.

Die geltenden Mindestabstände von 350 Meter zu Schulen sowie Kinder- und Jugendeinrichtungen bleiben auch hier bestehen. Allerdings gibt es einzelne Ausnahmen, die im Rahmen der Bestandschutzregelungen 2019 eingeführt worden waren.

Städte wie Leverkusen befürchten nun, dass die Regelung vor allem in den Innenstädten für spürbare Veränderung sorgen könnten. Die „besonderen Anforderungen“ seien leicht einzuhalten, so der Leverkusener Anzeiger

in Abwesenheit von Schulen und den anderen besonders schützenwerten Einrichtungen könnte so in Zukunft alle 100 Meter eine Spielgelegenheit zu finden sein. Ob sich diese Befürchtung in den Städten NRWs bewahrheiten könnte, bleibt abzuwarten. Noch ist der Gesetzesentwurf nicht unterschrieben.