Verfassungsgericht hebt Schließung der Wettbüros im Saarland auf
Der saarländische Verfassungsgerichtshof (VerfGH) hat Anfang März das absolute Verbot des Betriebs von Wettbüros im Saarland aufgehoben. Dies sei mit dem Grundrecht der Gewerbefreiheit in Verbindung mit dem Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz nicht vereinbar, berichtete der ISA-Guide am Dienstag in einem Artikel von Rechtsanwalt Dr. Thomas Bartholmes.
Mit dieser Entscheidung kippte der VerfGH die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Saarlouis. Dieses hatte zuvor in zwei Eilverfahren den Antrag auf Aussetzung des Verbots für eine Bedienung der Kunden, die an das sogenannte „Click & Collect“ Verfahren angelehnt sein sollte, abgewiesen.
Angesichts der Tatsache, dass im Saarland ab Montag, dem 8. März ohnehin Neuregelungen in Bezug auf die Corona-Verordnungen in Kraft träten, dürften Wettannahmestellen unter bestimmten Voraussetzungen vorerst betrieben werden.
Öffnung der Wettbüros unter strengen Bedingungen
Laut der Corona-Verordnung dürften Kunden aufgrund der hohen Infektionsgefahr die Innenräume der Wettbüros nicht betreten. Sie müssten sich vorher anmelden und könnten ihren ausgefüllten Wettschein beispielsweise durch ein Fenster oder eine andere Öffnung reichen. Zudem müssten sie alle AHA-Regeln strikt einhalten. Außerdem dürften sich nicht mehr als vier Kunden vor dem Wettbüro aufhalten.
Wettbüros sind nicht weniger wert
Die Verfassungswidrigkeit des absoluten Verbots begründete der VerfGH damit, dass Wettannahmestellen im Vergleich zu Lottoannahmestellen und Einzelhandelsgeschäften, die einen Abholdienst anbieten dürften, ungleich behandelt würden.
Der VerfGH erklärt in seinem Urteil:
Das OVG versagt der Beschwerdeführerin die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit, die sich nach ihrer konkreten Konzeption infektionsschutzrechtlich nicht von beruflichen Tätigkeiten unterscheidet, die bei Anderen, vor allem staatlichen Glückspielbetreibern, weiterhin hingenommen werden.
Es sei nicht erkennbar, warum Wettvermittlungsstellen, wenn sie außerhalb von Geschäftsräumen unter Beachtung aller übrigen sonst angeordneten Hygienevorkehrungen betrieben würden, signifikant andere Infektionsrisiken nach sich ziehen sollten als sonstige, im „Click & Collect-System“ tätige Ladengeschäfte.
Verfassungsrichter erkennen keinen Unterschied zwischen privaten Wettbüros und Annahmestellen für staatliche Lotterien. (Bild: flickr.com, Bielefelder Flaneure)
Wettvermittlungsstellen dürften nur aus infektionsschutzrechtlichen Gründen anders als vergleichbare Dienstleister behandelt werden und nicht aufgrund einer geringeren „Wertigkeit“.
Im Vergleich zu anderen Freizeiteinrichtungen erbrächten Wettvermittlungsstellen als einzige auch Dienstleistungen, die auch an oder vor den Geschäftsräumen erbracht werden könnten.
Daher sei das Infektionsrisiko anders einzuschätzen als bei anderen Einrichtungen zur Freizeitgestaltung.
Geschlossene Wettbüros und das staatliche Monopol
Für die Verfassungsrichter sei es unzulässig, zwischen der Wertigkeit oder der Breite der gesellschaftlichen Anerkennung eines gewerblichen Unternehmens zu unterscheiden, das nur private Sportwetten anbiete.
Dies sei insbesondere darum relevant, da staatliche Sportwetten- und Lotterieanbieter ihr Geschäft in Kiosken und im Zeitschriftenhandel als sogenanntes „Nebengeschäft“ immer noch betreiben dürften. Diese Tatsache kennzeichne die Ungleichbehandlung in besonderem Maße.
So heißt es weiter im Urteil:
Solche „Nebengeschäfte“ stärken die Attraktivität des Hauptgeschäfts – sonst würden sie nicht betrieben –, sind also geeignet, eine zusätzliche Zahl von Kundinnen und Kunden anzulocken und in Innenräumen verweilen zu lassen. Durch die Schließung von privaten Wettvermittlungsstellen kann sogar eine zusätzliche Konzentration von Wettinteressenten und spielaffinen Personen in den Geschäftslokalen eintreten, die auch Toto- und Lottoannahmestellen unterhalten.
Die Entscheidung des Verfassungsgerichts hatte zur Folge, dass private Anbieter ihren Betrieb in Baden-Württemberg, Hessen, NRW, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen, zumindest eingeschränkt, wieder aufnehmen dürfen.
In den anderen Bundesländern bestehe laut Dr. Bartholmes im Bereich der terrestrischen Wettannahme weiterhin faktisch ein staatliches Monopol für ODDSET und Toto, das nunmehr bloß auf einer infektionsrechtlichen Begründung fuße.
Aber staatliche Produkte dürften weiterhin beworben werden. So verliere das Argument des Infektionsrisikos an Relevanz und könne den Landesregierungen laut Dr. Bartholmes „auf die Füße fallen“. Was die Entscheidung des Verfassungsgerichts für derzeit noch geschlossene Wettbüros bedeuten wird, ist derzeit noch nicht geklärt.