Freitag, 22. November 2024

Schleswig-Holstein: Scharfe Kritik von Spiel­suchtexperten bei Anhörung zum Glücks­spiel­staatsvertrag

Im Landtag wurden die Glücksspielexperten angehört (Bild: Schleswig-Holsteinischer Landtag) Schleswig-Holstein Landtag|Schleswig-Holstein Landtag

In vielen Landesparlamenten befindet sich die Ratifizierung des Glücksspielstaatsvertrages in der entscheidenden Phase. Am Mittwoch wurden im Landtag von Schleswig-Holstein die Argumente von Wohlfahrtsorganisationen und Suchtexperten sowie von Vertretern der Glücksspielbranche gehört. Dabei wurde teilweise deutliche Kritik an dem Vertrag geäußert.

Keine Empfehlung von Spielsucht- und Spielerschutz-Experten

Bei den Vertretern von Präventions- und Spielerschutzeinrichtungen überwog die Kritik. Kai Sachs, Geschäftsführer der Landesstelle für Suchtfragen Schleswig-Holstein, stellte generell die Frage, warum die im Vertrag geäußerte „Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebotes“ überhaupt eine staatliche Aufgabe sein sollte.

Das Fazit der Spielerschützer fiel größtenteils negativ aus. Generell seien Ansätze wie Sperrdateien, Glücksspielaufsicht und Einsatzlimits zwar gut, aber nicht zu Ende gedacht.

Die Spielsuchtexperten waren sich einig, dass durch die Legalisierung Bereiche wie Suchtarbeit und Therapie gestärkt werden müssten. Es sei abzusehen, dass der Bedarf an diesen Angeboten mit zunehmendem Glücksspiel steige. Stattdessen hätten die betreffenden Einrichtungen jedoch mit finanziellen Zwängen zu kämpfen.

Ilona Füchtenschnieder-Petry, Vorstandsmitglied der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, führte grundsätzliche Bedenken hinsichtlich der unzureichenden Umsetzung von Suchtprävention und Spielerschutz in dem Vertragswerk an.

Ihr zufolge griffen gutgemeinte Ansätze wie die Sperrdatei zu kurz. Angesichts einer mindestens 1,5 Jahre dauernden Suchttherapie bilde eine drei- oder zwölfmonatige Spielersperre für Suchtkranke keine wirkliche Alternative.

Schleswig-Holstein Landtag

Die Anhörung dauerte mehrere Stunden (Bild: Schleswig-Holsteinischer Landtag)

Vergleichbares gelte für Einsatzlimits. Diese seien zwar grundsätzlich zu begrüßen und für schwer Spielsüchtige eventuell ausreichend. Für neue Spieler seien die festgelegten 1.000 Euro im Monat jedoch viel zu hoch.

Die Spielsuchtexpertin könne nicht verstehen, warum durch den Vertrag illegale Anbieter legalisiert würden. Gerichtlich seien Online-Casinos für illegal erklärt worden. Sie habe kein Verständnis, warum diese Anbieter nun in den legalen Markt gelassen würden, zumal die „schmalbrüstige Aufsicht“ den Glücksspielmarkt nicht wirksam kontrollieren könne.

Füchtenschnieder-Petry erklärte, dass sie den Abgeordneten die Ratifizierung des Staatsvertrages nicht empfehlen könne. Mit ihrer ablehnenden Haltung ist sie nicht allein. Die Landesstelle für Suchtfragen sowie die Landes-Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände betonten ebenfalls, dass sie von einer Ratifizierung des Gesetzes in seiner jetzigen Form abraten würden.

Die Kritik an der schwachen Aufsichtsbehörde griff die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein ebenfalls auf. Bereits vor der Anhörung forderte sie:

Sollte sich zeigen, dass eine angemessene Aufsicht nicht gelingt, hält die Verbraucherzentrale es für geboten, jeden Betrieb von Glücksspiel auszusetzen, bis eine Überwachung nach den Motiven dieses Staatsvertrages gesichert ist.

Unterstützung erhielten die Spielerschützer von den angehörten Rechtsexperten und Forschern. Auch diese wiesen auf zahlreiche Vorbehalte hin, die sie gegenüber dem gegenwärtigen Vertragswerk hegten.

Zustimmung aus der Wirtschaft

Im Gegensatz dazu unterstützten die bei der Anhörung anwesenden Vertreter der Glücksspielbranche den Staatsvertrag grundsätzlich. Positiv hervorgehoben wurden die spielformübergreifende Sperrdatei sowie der eingeleitete Paradigmenwechsel. Dieser bedeute eine Abkehr von einer Verbots- hin zu einer Ordnungspolitik im Glücksspiel.

Zustimmung fand die qualitative Bewertung von terrestrischen Spielhallen. Diese führe zu einer Bereinigung und damit Verbesserung des Angebotes. In diesem Zusammenhang erklärte Wolfgang Voß, Vorsitzender des Automaten-Verbandes Schleswig-Holstein, dass auf diese Weise „faule Äpfel“ aussortiert werden könnten.

Allerdings wurde auch vonseiten der Anbieter Kritik an Details des Gesetzes laut. Georg Stecker, Vorstandsprecher des Verbandes Die Deutsche Automatenwirtschaft, äußerte Besorgnis hinsichtlich der zögerlichen Entwicklung der Glücksspielbehörde. Diese entfalte voraussichtlich erst in zwei bis drei Jahren ihre volle Wirkung. Angesichts der schon im Sommer erfolgenden Legalisierung und dem daraus resultierenden Kontrollbedarf sei dies problematisch.

Trotzdem zeigte sich bei der Anhörung im Kieler Landtag, dass die Ansichten von Spielerschützern und Branchenvertretern teilweise weit auseinanderliegen. Es wird jedoch erwartet, dass der Vertrag mit den Stimmen der Regierungskoalition angenommen wird.