Freitag, 22. November 2024

Die Casinos Austria-Affäre und der Ausstieg des Ex-Finanzministers aus der Politik

hartwig loeger|Parlamentsgebäude in Wien

Der ehemalige österreichische Minister Hartwig Löger (54) wird bei einer Regierungsbildung nicht mehr für den Posten an der Spitze des Finanzministeriums zur Verfügung stehen. Dies erklärte der ÖVP-Mann gestern in einem Statement. Vermutungen, seine Rückkehr in die Privatwirtschaft stünde im Zusammenhang mit aktuellen Ermittlungen im Kontext der sogenannten „Casinos-Causa“, widersprach der Politiker.

„Ein persönlicher Schritt“

Österreichs Ex-Finanzminister Hartwig Löger erklärte gestern, nicht erneut für den Regierungsposten zur Verfügung zu stehen. Es handele sich bei der Entscheidung um einen persönlichen Schritt, den er intern bereits in der vergangenen Woche kommuniziert habe.

Nur einen Tag vor der öffentlichen Bekanntgabe Lögers hatten österreichische Medien von einer Razzia der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Wien berichtet, bei der auch Räumlichkeiten des Politikers betroffen gewesen sein sollen.

Einen Zusammenhang zwischen seinem politischen Rückzug und den Ermittlungen im Rahmen der Bestellung des FPÖ-Politikers Peter Sidlo (45) zum Finanzvorstand der teilstaatlichen Casinos Austria AG (Casag) dementierte Löger.

Im vergangenen Mai tauchte ein heimlich mitgeschnittenes Video auf, das zeigte, wie der FPÖ-Politiker und ehemalige Vizekanzler Österreichs, Heinz-Christian Strache, in einer Finca auf Ibiza gegenüber einer angeblichen schwerreichen Russin diverse politische Themen referierte. Unter anderem behauptete er, der Glücksspielkonzern Novomatic „zahle alle“.

Die Öffentlichkeit interpretierte diese Aussage vielfach als Hinweis auf flächendeckende und möglicherweise illegale Parteispenden des Unternehmens an die großen politischen Akteure des Landes.

Novomatic dementierte alle Vermutungen, Gelder des Konzerns könnten auch über Umwege an die FPÖ geflossen sein. Dennoch stehen seither mögliche Verbindungen zwischen österreichischer Politik und Glücksspielindustrie im Schlaglicht von Öffentlichkeit und Strafverfolgung.

Unterstützte der Finanzminister einen Novomatic-FPÖ-Deal?

Der aktuelle Verdacht: Als damaliger Chef des Finanzministeriums könnte Löger in die möglicherweise unrechtmäßige Ernennung des FPÖ-Politikers Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria AG im Mai 2019 verwickelt gewesen sein.

Mutmaßlich habe es politische Absprachen zwischen Casinos Austria-Großaktionär Novomatic und der zu diesem Zeitpunkt mitregierenden FPÖ gegeben. Diese soll auch Hartwig Löger vom Koalitionspartner ÖVP mitgetragen haben.

So habe er als Finanzminister nach einem Gespräch mit Novomatic Boss Johann Graf persönlich beim Aufsichtsratspräsidenten der Casag, Walter Rothensteiner, interveniert, um den FPÖ-Wunschkandidaten Sidlo durchzusetzen.

Für Novomatic soll es um „die parteiische Vergabe von Glücksspiellizenzen bzw. die Vergabe von neu zu schaffenden Glücksspiellizenzen, konkret eine ‚Casino Lizenz in Wien‘ und eine ’nationale Gaming Lizenz‘ an die Novomatic AG“ gegangen sein. Dies zitiert die österreichische Die Presse aus einem ihr vorliegenden Hausdurchsuchungsbefehl.

Die Causa Sidlo

Tatsächlich wirft die Bestellung Sidlos zum Finanzvorstand der Casag bereits seit längerem Fragen auf. So ist bekannt, dass ein eigens von der Casinos Austria-Führung engagierter Personalberater Sidlo ein verheerendes Zeugnis ausgestellt und ihn als ungeeignet für den Job als Finanzvorstand klassifiziert hatte.

hartwig loeger

Hartwig Löger soll als Finanzminister direkten Einfluss ausgeübt haben (Quelle:Bundesministerium für Finanzen, licensed under CC BY-2.0)

Dennoch wurde der FPÖ-Politiker unter Berücksichtigung einer Enthaltung einstimmig in den prestigeträchtigen Posten gewählt.

Im August hatte Casag-Aufsichtsratschef Rothensteiner bei einer ersten Befragung noch angegeben, keine Kenntnis von einem eventuellen Eingreifen des Ministers gehabt zu haben. Diese Aussage soll er jedoch in einem späteren Schreiben gegenüber Ermittlern des Bundeskriminalamtes revidiert haben.

So habe er angegeben, eine verloren geglaubte Aktennotiz zu einem Telefonat mit dem damaligen Finanzminister Löger vom 1. Februar 2019 wiedergefunden zu haben. Diese belege, dass der Finanzminister ihm zu verstehen gegeben habe, dass es Hintergrundgeschäfte zwischen Novomatic und Koalitionspartner FPÖ gebe.

Der Minister habe ihm mitgeteilt, mit Johann Graf, dem Gründer und Alleinaktionär Novomatics konferiert zu haben. Dieser habe deutlich gemacht, dass Sidlo nun auch von Novomatic-CEO Harald Neumann unterstützt werde, so Rothensteiner in seiner Gedankenstütze:

(…) der hat irgendeinen Hintergrunddeal mit den Blauen (FPÖ, Anm. d. Verf.). Daher ist Sidlo ein Muss. Alternativkandidaten von Neumann gibt es nicht mehr, Graf will es nicht. Habe Löger gesagt, dass ich damit eigentlich meine Funktion überdenken muss. Versteht er, bittet mich, ihn zu verstehen.

Fortgang ungewiss

Die Staatsanwaltschaft soll den ehemaligen Finanzminister nun als Beschuldigten führen. Ihm werde vorgeworfen, seine Befugnisse wissentlich missbraucht und ausschließlich aus parteipolitischen und koalitionstaktischen Erwägungen gehandelt zu haben.

ÖVP-Chef Sebastian Kurz zeigte sich in einem ersten Statement betroffen, dass Löger bei der kommenden Regierungsbildung nicht zur Verfügung stehe. Kurz erklärte, dessen persönliche Entscheidung zu respektieren und lobte die „sehr erfolgreiche Arbeit“ seines ehemaligen Finanzministers.

Welchen Weg dieser in der Privatwirtschaft einschlagen wird, ist bislang ebenso unbekannt, wie die Antwort auf die Frage, welche Erkenntnisse die österreichische Casino-Causa noch zutage fördern könnte.