Sonntag, 24. November 2024

Facebook-Algorithmus setzt Minderjährige in Verbindung zum Glücksspiel

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Der Algorithmus des sozialen Netzwerks Facebook soll Hunderttausende von Minderjährigen als „interessiert am Glücksspiel“ ausgewiesen haben. Obwohl das Unternehmen Glücksspielwerbung, die sich an Jugendliche richtet, verbietet, könnte es so genau hierfür den Grundstein legen.

„Interesse“ an Glücksspiel und Alkohol

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Nutzen Glücksspielanbieter die Facebookdaten um Jugendliche zu werben? (Quelle:maxpixel.net, licensed under CC0)

Die Social Media-Plattform Facebook steht immer wieder wegen ihres Umgangs mit Nutzerdaten in der Kritik. Recherchen (Seite auf Englisch) der britischen Zeitung „The Guardian“ und der dänischen Broadcasting Company zufolge ist davon auszugehen, dass sich die Liste der Beschwerden gegen den Konzern um einen weiteren Punkt verlängern könnte.

So soll der im Hintergrund agierende Algorithmus Facebooks mindestens 740.000 minderjährige User als „am Glücksspiel interessiert“ eingestuft haben. Allein 130.000 der Betroffenen sollen aus Großbritannien kommen.

Im Zuge derselben Recherche stellte sich heraus, dass zudem 940.000 Jugendliche der Kategorie „an alkoholischen Getränken interessiert“ zugeordnet worden seien.

Verantwortungsbewusstes Marketing?

Facebook analysiert das Internetverhalten seiner Nutzer und erstellt anhand der gewonnen Daten Profile. Diese enthalten Informationen darüber, welche Themen den Betreffenden besonders interessieren könnten.  Die gewonnenen Daten ermöglichen es Werbetreibenden, Nutzer gezielt in ihre Marketingbemühungen einzubinden.

Dass auch Minderjährige mit dem Glücksspiel in Verbindung gebracht und somit als potenzielle Zielgruppe der Glücksspielindustrie klassifiziert werden, war bislang nicht bekannt. Tatsächlich verbietet Facebook derartige Werbemaßnahmen explizit, wie das Unternehmen in einem Statement angibt:

Wir erlauben keine Werbeanzeigen, die den Verkauf von Alkohol oder Glücksspielen an Minderjährige auf Facebook fördern, und unterbinden solche Aktivitäten, wenn wir sie finden. Wir arbeiten auch eng mit den Aufsichtsbehörden zusammen, um Marketingfachleuten Anleitungen zu geben, damit sie ihr Publikum effektiv und verantwortungsbewusst erreichen können.

Generell sei es Firmen aber durchaus erlaubt, Jugendliche aufgrund ihres mutmaßlichen Interesses am Glücksspiel in den Fokus zu nehmen. Unter Berufung auf einen Insider berichtet The Guardian, dass die Klassifizierung beispielsweise dazu dienen könne, es Suchthilfe-Organisationen zu erleichtern, gefährdete Minderjährige gezielt auf ihr Angebot aufmerksam zu machen.

Zielgruppe „gefährdete Jugendliche“?

Inwieweit Facebooks Werbekunden die Daten der Jugendlichen tatsächlich für Ziele wie den Jugendschutz verwenden, bleibt indes unklar. So ist unter anderem denkbar, dass sich beispielsweise Spieleentwickler, die in ihren Games die dem Glücksspiel nahestehenden Lootboxen einsetzen, explizit an genau dieser Interessengruppe bedienen.

Gegen die Vorgaben des sozialen Netzwerkes verstießen sie damit nicht, da die In-Game-Käufe bislang keiner Glücksspielregelung unterliegen.

Facebook macht es seinen Geschäftskunden leicht, ihre Werbung wirksam zu platzieren. So erhalten Firmen die Möglichkeit, ihre Zielgruppen dank der Datenauswertung der Plattform gezielt anzusprechen. Über die Parameter Standort, demografische Daten, Interessen, Verhalten und Verbindungen können Werbende genau definieren, wem ihre Kampagnen auf Facebook angezeigt werden.

Doch auch denjenigen, die die Richtlinien vorsätzlich umgehen möchten, gibt Facebook mit seiner Klassifizierung das perfekte Instrument an die Hand. Eigentlich soll ein Automatismus dafür sorgen, dass Werbeanzeigen, die gegen die Facebook Richtlinien verstoßen, ausfindig gemacht und entfernt werden. Im Vorhinein ist allerdings kaum auszumachen, wie genau die Anbieter die Datensammlungen nutzen.

Wer sein Glücksspielangebot unter Minderjährigen populär machen möchte, bekommt dank Facebook eine Auflistung der vermutlich besonders anfälligen Jugendlichen direkt ins Haus. Bis Facebook die Anzeige löscht, kann sie aus Sicht der Anbieter bereits ausreichend Verbreitung gefunden haben.

Social Media Marketing im Trend

Tatsächlich setzen Glücksspielanbieter vermehrt auf soziale Netzwerke, um ihren Kundenstamm zu vergrößern. Dabei werde unter anderem Methoden angewendet, die dazu geeignet sind, insbesondere Jugendliche anzusprechen.

So veröffentlichten Forscher erst im vergangenen August eine Studie, nach der britische Wettanbieter und deren Werbepartner über Twitter mehr als 40.000 minderjährige Briten direkt erreichten. Die Gestaltung der Tweets und Anzeigen der Glücksspielanbieter seien so gestaltet, dass sie für Jugendliche attraktiv und nur schwer zu durchschauen seien.

Die aktuellen Erkenntnisse legen nahe, dass Facebook zwar auf die Einhaltung strenger Richtlinien pocht, durch die Erhebung und den Verkauf bestimmter Daten aber gleichsam Instrumente bereitstellt, diese zu umgehen. Nach Lesart des Unternehmens liegt die Verantwortung für Verstöße allein bei den Werbenden.

Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich ein solcher mutmaßlicher Widerspruch auflösen lässt. Bis dahin bleiben Aufklärung, Prävention und Medienkompetenz der beste Schutz gegen möglicherweise jugendgefährdende Werbeangebote im Internet.