Lootboxen: eine lauernde Gefahr für Australiens Kinder?
Am Mittwoch berichtete das australische Medienmagazin 9News über die aktuelle Problematik bezüglich Lootboxen und Suchtverhalten bei Kindern und Jugendlichen in Australien. Neben alarmierenden Studien aus dem Jahr 2018 beruft sich der Bericht vor allem auf aktuelle Erkenntnisse eines australischen Kinderpsychiaters, Dr. Huu Kim Le, der sich auf das Thema Gaming und Spielsucht spezialisiert hat.
Warnungen eines Kinderpsychiaters
Lootboxen sind international nach wie vor ein heikles Thema und die Standpunkte der Länder und Gesetzgebungen in Bezug auf In-Game-Überraschungen unterscheiden sich stark.
Gemäß der aktuellen australischen Gesetzgebung werden die sogenannten In-Game-Käufe oder Mikro-Transaktionen nicht als eine Form des Glücksspiels angesehen.
Andere Länder positionierten sich hier in den vergangenen Jahren deutlich strenger. In Belgien beispielsweise mussten sämtliche Spiele mit Lootboxen vom Markt genommen werden.
Lootboxen auch im australischen Senat ein Thema (Bild: Flickr)
Auch die Regierung Australiens (Senate Committee) äußerte im November letzten Jahres in einem 90-seitigen Bericht erste Bedenken über die Sicherheit der beliebten Gaming-Extras.
Während der Bericht allerdings damit abschloss, dass nicht genügend Informationen vorlägen, um eine endgültige Empfehlung auszusprechen, schlagen immer mehr Suchtexperten Alarm.
Einer dieser Experten ist der Kinder- und Jugend-Psychiater Dr. Huu Kim Le aus Adelaide. Gegenüber 9News erklärte er, welche Gefahren sich hinter Lootboxen verbergen können und mit welchen Fällen er diesbezüglich als Arzt bereits in Kontakt gekommen sei.
Dabei berichtet er beispielsweise von einem minderjährigen Patienten, der über sein Smartphone und sein Tablet über einen längeren Zeitraum immer wieder Lootboxen in diversen Spielen erworben habe und auf diesem Wege große Geldsummen ausgab.
Die Eltern des Jungen hätten ihm für zwei Monate sämtliche Geräte weggenommen, mit denen er gewöhnlich spielte. Nach zwei Monaten sei sein Spielverbot aufgehoben worden und er habe die Geräte erneut in Betrieb genommen.
Designt, um süchtig zu machen?
Sofort habe er mehr als 300 Pop-Up Nachrichten innerhalb der zuvor gespielten Spiele erhalten. Die Pop-Ups hätten ihn dazu aufgefordert, erneut In-Game-Käufe zu tätigen und erst aufgehört, als er tatsächlich erneut eine Lootbox erworben habe.
Mit Fällen wie diesem habe der Psychiater schon des Öfteren zu tun gehabt. So greifen immer wieder Jugendliche ohne Erlaubnis in die Brieftasche der Eltern, stehlen deren Kreditkarten und ehe die Eltern es bemerken, werden bereits zahlreiche Mini-Transaktionen in ihrem Namen durchgeführt.
Dr. Kim Le habe bei einigen seiner minderjährigen Patienten deutliche Anzeichen einer Spielsucht feststellen können. In einem besonders schwerwiegenden Fall habe ein Junge beispielsweise das Smartphone eines Lehrers gestohlen, um dieses zu verkaufen und mit dem Erwerb Lootboxen innerhalb eines Spieles zu kaufen.
Die Versuchung für die Minderjährigen, mit nur wenigen Klicks eine Lootbox zu erstehen, sei groß und führe daher sehr schnell zu ausgeprägtem Suchtverhalten. Die Jugendlichen müssen daher besser beschützt werden, so der Psychiater:
Junge Kinder, die es wahrscheinlich nicht besser wissen, tun Dinge, die sie normalerweise niemals tun würden und mit denen sie ihren Familien Leid bereiten. Die Industrie tut nicht genug, um das zu bekämpfen.
Dr. Kim Le kritisierte auch, dass die Lootboxen in Australien noch immer nicht als eine Form des Glücksspiels anerkannt werden und somit keinerlei Regulierung unterliegen. Da die Industrie selbst nicht genügend für den Spielerschutz tue, müsse man entsprechende Maßnahmen auf Regierungsebene durchsetzen.
Eine 2018 veröffentlichte Studie von Juniper Research untermauert die Bedenken des Psychiaters. Den Daten zufolge habe die Gaming-Industrie allein im Jahr 2018 knapp 103 Mrd. Euro Umsatz mit Lootboxen gemacht.
Das entspräche 25 % der Gesamteinnahmen der Industrie. Laut der Studie sei bis zum Jahr 2020 allein durch Lootboxen und Mini-Transaktionen eine Umsatzsteigerung um 47 % zu erwarten.
Nichts als ein Überraschungsei?
Angesichts der gigantischen Einnahmen durch Lootboxen ist es wenig verwunderlich, dass die Industrie selbst sich nach wie vor verteidigt.
Laut dem australischen Branchenverband Interactive Games and Entertainment Association (IGEA) ergreife die Industrie genügend Maßnahmen zum Schutz der minderjährigen Spieler und deren Angehörigen. Dem Verband zufolge seien Lootboxen durchaus vergleichbar mit Tauschkarten und sogar Überraschungseiern.
Kinder gaben 550 GBP für das FIFA Ultimate Team aus (Bild: Flickr)
Doch der große Unterschied zwischen physischen Sammelbildern und den virtuellen In-Game-Überraschungen liegt vor allem beim Finanziellen. Die BBC berichtete am Dienstag beispielsweise über einen Fall, bei dem vier Geschwister innerhalb von drei Wochen 550 GBP für Lootboxen bei FIFA 19 ausgaben.
Die Kinder seien zu jung gewesen, um zu verstehen, welchen finanziellen Schaden sie durch die unkomplizierten In-Game-Käufe angerichtet hätten. Das unschuldige Ziel der Kinder sei gewesen, Lionel Messi für ihr Ultimate Team zu gewinnen, was jedoch trotz der vielen Käufe nicht funktioniert habe.
Wie auch dieses Beispiel zeigt, scheint das Problem des großen Suchtpotentials von Lootboxen, welches Dr. Kim Le und andere Suchtexperten in ihrer täglichen Praxis sehen, größer zu werden. Entsprechend wachsen wird daher auch das Drängen auf eine Regulierung des Marktes.