Freitag, 22. November 2024

Fortschritt oder Rückschritt: Quo Vadis 3. Glücksspielstaatsvertrag?

Landtag Nordrhein-Westfalen Plenarsaal|Renatus Zilles

Gestern führte der Deutsche Verband für Telekommunikation und Medien im Rahmen seiner Mitgliederversammlung in Bonn eine Paneldiskussion zum Dritten Glücksspielstaatsvertrag durch. Es diskutierten hochkarätige Vertreter der Politik, Branche und Medien.

Bei der Ministerpräsidentenkonferenz im März 2019 hatten sich die Länder auf einen neuen Glücksspielstaatsvertrag verständigt, der den bestehenden Vertrag 2021 ablösen soll. Wichtige Punkte sind die weitere Gültigkeit der Online Casino Lizenzen aus Schleswig-Holstein und ein Vergabeverfahren für Sportwetten Konzessionen ohne Obergrenze. Branchenvertreter wie der DVTM drängen aber auf eine „Gesamtregulierung“ und eine gesicherte Übergangslösung bis 2021.

Aktueller Status der Regulierungsbemühungen in Deutschland

Den Auftakt gab Nathanael Liminski, Staatssekretär und Chef der Staatskanzlei von Nordrhein-Westfalen. Der CDU-Politiker ist zusammen mit seinem Berliner Kollegen von der SPD, Christian Gaebler, verhandlungsführend bei der Glücksspielreform der Länder. Er erinnerte daran, dass nach dem Scheitern des Zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrags der Ansatz gewählt wurde, in der Sache zu diskutieren, um die folgenden fünf politischen Streitfragen zu klären:

– Sportwetten

– Veranstaltungsmonopol

– Vollzug

– Spieler-Sperrdatei

– Online Casinos

Opt-In Opt-Out Modell als Einigung über Online Casinos?

Nathanael Liminski, Staatssekretär und Chef der Staatskanzlei

Nathanael Liminski, Staatssekretär und Chef der Staatskanzlei NRW (Bildquelle).

Bei der Konferenz der Chefs der Staatskanzleien im Mai 2019 habe sich grundsätzliche Einigungsmöglichkeit bei Sportwetten, Sperrdatei und Monopol abgezeichnet. Auch beim Vollzug könne sich der Länderkreis auf ein zentralisiertes Modell einigen.

Bei den Online Casinos seien inzwischen neben Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen weitere Länder bereit, Online Angebote in eine Gesamtregulierung aufzunehmen.

Ein vielversprechender Ansatz sei das Opt-In Opt-Out Modell, bei dem die Länder einzeln über die Frage der Online Casinos entscheiden würden. Für Nathanael Liminski könne ein Opt-In einiger Länder in der Praxis dann Überzeugungsarbeit bei den Verweigerern leisten.

Interimslösung bis 2021: Die Eckpunkte des DVTM

Der Deutsche Verband für Telekommunikation und Medien nutzte die Gelegenheit, sich mit der Erwartungshaltung der Branche an die Politik zu richten. Bereits im Vorfeld hat der Verband klare Stellung zu einer Übergangsregelung bis zum Auslaufen des Glücksspielstaatsvertrags im Jahr 2021 bezogen und für ein Fortgelten der bestehenden Online Casino Lizenzen plädiert.

Während der gestrigen Paneldiskussion betonten Branchenvertreter die Wichtigkeit eines sachorientierten Ansatzes auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und appellierten, den Markt nicht politischen Kompromissen zu opfern. Prof. Dr. Patrik Sensburg, Mitglied des Deutschen Bundestages, sah akuten Handlungsbedarf, um bis 2021 kein Vakuum zum Schaden deutscher Verbraucher zu schaffen.

Renatus Zilles, Vorstandsvorsitzender des DVTM, äußerte in diesem Zusammenhang, ein Verbot allein sei für die Kanalisierung ungeeignet. Er wies auf die Stärkung der Suchtprävention durch Regulierung hin und nannte Großbritannien als Beispiel.

DVTM Eckpunkte zur „Bettertainment“ Neuregulierung

Zur Reform des Online Glücksspiels, insbesondere Sportwetten, Poker, Casino und Internet Lotterien, welche der DVTM unter dem Begriff „Bettertainment“ zusammenfasst, hat der Verband in einem Positionspapier (PDF) folgende Punkte als wichtig festgehalten:

1 – Effektive Regelung des Konzessionsverfahrens

2 – Verbraucherschutz und Kriminalitätsbekämpfung

3 – Vollzug und Überwachung

4 – Reformierung des Lottomonopols

5 – Sofortiges Übergangsregime mit Ziel Verbraucherschutz

Die Zeit drängt

Renatus Zilles, DVTM Vorstandsvorsitzender

Renatus Zilles, DVTM Vorstandsvorsitzender (Bildquelle).

Zilles stellte auch die Frage nach dem Zeitplan: Die Anbieter bräuchten Sicherheit und Gewissheit, um planen zu können. Liminski nannte daraufhin die Jahreskonferenz der Chefs der Staatskanzleien in Hamburg im September 2019 als nächste Gelegenheit, das Verständnis über bestehende Einigkeit zu vertiefen.

Gleichzeitig müsse er die Erwartungen etwas dämpfen: Ihm sei wichtig, zuerst einen politischen Konsens für die Zeit nach Auslaufen des Glücksspielstaatsvertrags 2021 zu schaffen, um dann auf dieser Grundlage die so gefragte Interimslösung bis 2021 anzugehen.

Als Appell an den Kompromiss und das Abrücken von Maximalpositionen sagte Liminski, man müsse abwägen zwischen dem, was wünschenswert und was möglich sei. Ein Länderkonsens könnte aber zu einem besseren Ergebnis führen als der Weg über den Bund, schließlich seien diese näher an Markt und Verbraucher. “Der große Vorteil der Länderzuständigkeit ist die Standortnähe,“ so Liminski.

Trennungsgebot der Spielformen

In der Diskussion wurde auch die Frage nach dem Trennungsgebot aufgeworfen. Dr. Dirk Quermann, CEO der Media Merkur GmbH, bemerkte, eine funktionierende Regulierung müsse nicht nur auf den Vollzug, sondern auch auf den Markt blicken.

Im viel-beschworenen europäischen Beispielland Dänemark gäbe es ja auch keine Zwangstrennung der Spielformen. Liminski gestand bedauernd ein, dass ein Infragestellen des Trennungsgebots die Verhandlungsgespräche frühzeitig beendet hätte.

“Ob wir beim Trennungsgebot allzu viel Bewegung rein bekommen will ich nicht in Aussicht stellen, das ist eine ganz harte Nuss.”

Liminski sagte, dass abseits von Grundsatzdiskussionen die Versachlichung der Debatte zeige, dass Spielerschutz und Regulierung vereinbar seien – letztlich sei das Trennungsgebot ja durch den Spielerschutz begründet.

Ein Ausweg könnte eine bundesweite, spielform-übergreifende Sperrdatei sein, die den Spielzugang verhindern könne, unabhängig ob Spielformen getrennt oder zusammen an einem Standort angeboten werden.

Jahreskonferenz als nächste Etappe

Nathanael Liminski hob die Bedeutung der diskutierten Eckpunkte hervor, um zwischen den Ländern Einigkeit zu schaffen und auf dem Weg zum Staatsvertrag nicht (erneut) Schiffbruch zu erleiden.

Der dritte Glücksspieländerungsstaatsvertrag als Brückenlösung und “qualifizierter Zwischenschritt” sei wichtiges Signal der 16 Bundesländer, zusammenbleiben zu wollen. Eine einfache Verlängerung des bestehenden Staatsvertrags schließt er aber aus: zu viele Länder seien dagegen und regulierungswillig.

“Die Koalition der Willigen ist immer noch die letzte Ausfahrt, wenn wir im Herbst nicht zusammenkommen.”

Grundsätzlich gelte aber: “Der Staatsvertrag, der zu 16 beschlossen wird, wird auch zu 16 verhandelt.” Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Jahreskonferenz im September Einigungen bringen werde als Vorbereitung der Ministerpräsidentenkonferenz im Oktober. Anschließend könnte es in die Textausgestaltung gehen.

Abschließend gab Renatus Zilles vom DVTM auf Grundlage der Darlegungen Liminskis die Einschätzung ab, dass man sich auf einem fortschrittlichen Wege befinde. Er glaube im Vertrauen auf den Staatssekretär und seinen Berliner Kollegen an eine Einigung im Herbst. Der Deutsche Verband für Telekommunikation und Medien werde an die Mitglieder appellieren, weiterhin konstruktive Vorschläge zu bringen.

Zilles hofft, das Thema Glücksspielstaatsvertrag könnte endlich zu einem Ergebnis gebracht werden, in dem sich alle wiederfinden: Politik, Branche und nicht zuletzt auch Verbraucher.