Italiens Kampf gegen das Glücksspiel – auch die Kirche mischt mit
Kurz vor Ostern kamen im norditalienischen Turin die Vertreter verschiedener kirchlicher Organisationen zusammen, um über Italiens wachsende Probleme mit dem Glücksspiel zu beratschlagen. Angesichts der dramatisch wachsenden Zahlen von Spielerausgaben und Problemspielern müsse man dringend Gegenmaßnahmen ergreifen.
Die „Anti-Glücksspiel Vereinigung“ Johannes Paul II
Aus Sicht der katholischen Kirche ist das Glücksspiel eine Sünde, doch während sich hierzulande die Kirche zum Thema eher bedeckt hält, halten die Gottesvertreter Italiens regelmäßig Veranstaltungen ab, bei denen darüber diskutiert wird, wie man effektiver gegen die steigenden Zahlen Spielsüchtiger und deren hohe Ausgaben vorgehen könnte.
Im Jahr 1992 wurde eine Non-Profit-Organisation gegründet, die sich anfänglich für privat verschuldete Menschen einsetzte und mit den Jahren immer mehr mit Problemspielern und deren Schulden in Kontakt kam.
Organisation nach Papst Johannes Paul II benannt (Bild: Wikimedia)
Die sogenannte „Consulta Nationale Antiusura Giovanni Paolo II” (zu Deutsch wörtlich: Nationale Anti-Zinswucher Vereinigung Johannes Paul II) ist mittlerweile sehr bekannt für ihre Anti-Glücksspiel Kampagnen. Der Ursprung dieser Kampagnen lag darin, dass immer mehr Hilfesuchende sich wegen ihrer Spielsucht verschuldeten.
Im Rahmen der jüngsten Veranstaltung Mitte April erklärte die Sprecherin der Organisation, Michela Di Trani [Ausschnitt eines Interviews auf Italienisch], dass sich mittlerweile 4 Mio. Italiener aufgrund ihres Glücksspielverhaltes verschuldet hätten.
Zwar sei im letzten Jahr das totale Werbeverbot eingeführt worden, doch habe sich seither kaum etwas gebessert. Problematisch seien vor allem die verschiedenen Social Media, über die auch italienische Nutzer weiterhin Glücksspielwerbung erhielten.
Im August letzten Jahres stimmte der italienische Senat mit knapper Mehrheit für zehn Gesetzesänderungen, die unter dem sogenannten Decreto Dignità zusammengefasst wurden. Darin eingeschlossen war ein flächendeckendes totales Werbeverbot für jede Form des Glücksspiels. Das Gesetz trat ab dem 1. Januar 2019 in Kraft und verbietet seither das Bewerben von Online Casinos und landbasierten Spielstätten. Ab Juli soll dieses Gesetz sich dann auch auf den Bereich der Sportwetten und die damit zusammenhängenden Sponsorenverträge erstrecken.
Vor allem jüngere Menschen und auch Minderjährige, die viel Zeit vor ihren Smartphones und Computern verbrächten, seien von der Social Media Werbung betroffen.
Aber auch ältere Personen seien in Italien sehr anfällig für problematisches Spielverhalten, was Di Trani in erster Linie mit deren empfundener Einsamkeit erklärte.
Versagt die Legislative?
Die Anti-Glücksspiel Organisation, die Kirche und der Vatikan sind sich in Italien einig: der Staat tue nicht genug gegen die stetig wachsenden Zahlen von Minderjährigen und Problemspielern.
Ein Problem bestehe darin, dass viele Gesetze längst veraltet und somit kaum anwendbar seien. Ein gravierenderes Problem jedoch sei, dass Gesetze schlicht oft ignoriert würden, da es in der Praxis nie zu einer Strafverfolgung käme.
Das betreffe beispielsweise den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstand zwischen Spielstätten und Schulen, der allzu oft nicht eingehalten werde. Auch aus diesem Grund zählten landbasierte Spielautomaten noch heute zu der am häufigsten genutzten Form des Glücksspiels in Italien.
Jedes Jahr wachsende Spielerausgaben
Die Zahlen zu den Ausgaben der Spieler folgen indes seit Jahren einem klaren Trend. Während die Italiener im Jahr 2016 noch 96 Milliarden Euro für ihr Glücksspiel ausgaben, waren es im Jahr 2017 bereits 101,8 Milliarden.
Von diesen Einnahmen der Glücksspielanbieter wurden laut einem Bericht der italienischen Online Zeitung Lenius 82 Milliarden in Form von Gewinnen zurück an die Spieler ausgeschüttet.
Die Italiener verlieren Milliarden von Euros (Bild: Pixabay)
Das würde auf alle Spieler gerechnet einen Verlust von knapp 20 Milliarden bedeuten, womit Italien nach den USA, China und Japan den vierten Platz der Länder der höchsten Pro-Kopf-Verluste einnähme
Laut der neuesten offiziellen Zahlen erreichten die Spielerausgaben im Jahr 2018 einen Rekordwert von 107 Milliarden Euro. Diese Summe stamme dabei von gut 17 Mio. Spielern, was einen Pro-Kopf-Einsatz von 6.294 Euro bedeute.
Allerdings sei davon auszugehen, dass ein sehr großer Teil der Spieler tatsächlich nur gelegentlich ein paar Euros setze. Im Umkehrschluss bedeutete dies, dass es einige Spielsüchtige gebe, die viele Tausende von Euro für ihr Spiel ausgäben und sich so über alle Maße verschuldeten.
Experten erwarten trotz der verschärften Anti-Werbe-Gesetze für das Jahr 2019 einen weiteren Anstieg dieser Zahlen. Ob die kirchlichen Organisationen mit ihren Zusammenkünften und Kampagnen wirklich etwas dagegen tun können, bleibt abzuwarten.