Skispringen: Frauen bald bei der Vierschanzentournee?
Die jährliche Vierschanzentournee gilt neben den Olympischen Spielen als das prestigeträchtigste Ereignis für Skispringer. Nun fordern die Skispringerinnen: „Gleiches Recht für alle“ und ihren eigenen Wettbewerb auf den großen Schanzen.
Frauen im Skisprung: Mut und ein langer Atem
In den vergangenen Jahren hat sich einiges getan in Sachen Gleichberechtigung. Dennoch haben Frauen im Sport im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen nach wie vor oft das Nachsehen. Dieser Umstand macht sich auch im Skispringen bemerkbar: Kleinere Schanzen, weniger Zuschauer, weniger Geld. Wer sich als Frau für den Flug durch die Luft entscheidet, braucht nicht nur Mut, sondern auch einen langen Atem.
Bundestrainer Andreas Bauer ist der Auffassung, dass es an der Zeit sei Veränderungen einzuführen und plädiert für eine Vierschanzentournee der Frauen.
Die Vierschanzentournee besteht aus vier schnell aufeinanderfolgenden Veranstaltungen des Skisprung-Weltcups und wird jährlich um den Jahreswechsel in Deutschland und Österreich ausgetragen.
Zum ersten Mal wurde die Vierschanzentournee 1953 ausgetragen. Seit der Saison 1972/1973 ist der Ablauf der Springen der gleiche:
Fester Teil der Vierschanzentournee: Die Olympia-Schanze in Garmisch-Patenkirchen (Quelle:Pixelteufel, licensed under CC BY 2.0)
Am 29. Oder 30. Dezember messen sich die Sportler auf der Schattenbergschanze in Oberstdorf, am 1. Januar folgt das Neujahrsspringen auf der Großen Olympiaschanze in Garmisch- Patenkirchen.
Am 3. bzw. 4. Januar ziehen die Sportler weiter ins österreichische Innsbruck zur Bergiselschanze, den Abschluss bildet das Dreikönigsspringen von der Paul-Außerleitner-Schanze in Bischofshofen.
Bislang dürfen die Sportlerinnen nicht auf Skiflugschanzen antreten. Die Begründung: Zu wenige ihrer Wettkämpfe würden auf Großschanzen ausgetragen. Die erste Gegenmaßnahme wurde in der laufenden Saison ergriffen: Statt wie zuvor nur zwei, finden nun zehn der 29 Wettkämpfe der Frauen auf Großschanzen statt. Allerdings nur für die 30 Führenden des Weltcups.
Olympia: Nur Weiten bis 100 Meter
Die olympischen Wettkämpfe, bei denen die Frauen seit 2008 antreten, finden hingegen nach wie vor auf Normalschanzen statt, Auf diesen sind bei Sprüngen nicht mehr als 100-Meter-Weiten zu erreichen – ganz unabhängig vom Geschlecht der Sportler.
Nun sollen die Frauen ihre eigene Vierschanzentournee bekommen und auf den großen Schanzen ihren großen Auftritt.
Bereits 2015 hatte Trainer Bauer gehofft, die hervorragenden Ergebnisse der Damen-Mannschaft bei der WM in Falun würde der Sportart einen Aufschwung versetzen, der zu mehr Aufmerksamkeit und Änderungen der Bedingungen führen würde:
Wir wollen das Damen-Skispringen in Deutschland langfristig auf internationalem Spitzenniveau etablieren. Diese große Chance haben wir jetzt.
Es geht voran für die Skispringerinnen
Tatsächlich zeigen die Erfolge der Skisprung-Frauen Wirkung: Rund 700 Mädchen sind heute in deutschen Skisprung-Vereinen angemeldet, wollen in die Fußstapfen von Carina Vogt, Katharina Althaus und Co. treten. Zumindest an der Basis scheint das Skispringen als Frauen-Sport angekommen zu sein.
Olympia-Siegerin Carina Vogt (Quelle:Ailura, licensed under CC BY-SA 3.0)
Ein paar Etagen höher, dort, wo die Entscheidungen getroffen werden, herrscht aber nach wie vor deutliche Ungleichheit in der Behandlung von Sportlerinnen und Sportlern. So bekommt die Siegerin eines Weltcups 3000 Schweizer Franken Preisgeld, während sich der männliche Erste über 10.000 Franken freuen darf.
Und während Großereignisse wie die Vierschanzentournee 16.000 Zuschauer an die Piste locken, sind es bei den Frauen-Wettbewerben nur selten mehr als ein paar Hundert.
Wirklich im Rampenlicht stehen die Skispringerinnen, abgesehen von Zuschauermagneten wie den Olympischen Spielen, eigentlich nur bei den Mixed-Team-Wettbewerben. Hierbei treten Mannschaften an, die aus jeweils zwei Frauen und zwei Männern bestehen. Bei der kommenden 52. Nordischen Ski-WM im Februar wird das deutsche Quartett in Seefeld als Titelverteidiger an den Start gehen.
Die gemischten Teams kommen gut an. So gut, dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) entschieden hat, diese Form des Skispringens 2022 in Peking erstmalig olympisch werden zu lassen. Natürlich auf der Normalschanze.
Potenziale und Synergien
Trotz einiger Fortschritte ist für die deutschen Skispringerinnen und Trainer Bauer klar, dass es an der Zeit ist, aus dem Schatten der Männer herauszutreten und das Potenzial der Sportlerinnen und der bereits durch den Männersport bereiteten Voraussetzungen voll auszuschöpfen. Am besten bei einem eigenen Wettkampf wie der Vierschanzentournee.
Das Organisatorische, so betont Bauer, stelle nämlich kein Hindernis dar, im Gegenteil. Da am Tag der Qualifikation der Männer nur ein Durchgang stattfinde, habe man hier die Zeit, den Wettkampf der Frauen auszutragen. Den Zuschauern, bei der Qualifikation in Oberstdorf waren es zuletzt 16.000, werde so ein weiteres spannendes Ereignis geboten und die Sportlerinnen kämen in den Genuss von mehr Stimmung und Aufmerksamkeit.
Insgesamt sei es sinnvoll, Männer und Frauen häufiger Wettbewerbe an einem Ort austragen zu lassen. So ließen sich Synergieeffekte, etwa bei Veranstaltern, Fans, Sponsoren und Medien nutzen, schließlich sei die Infrastruktur durch die Herren bereits gegeben.
Dieser Meinung ist auch Thomas Morgenstern, ehemaliger Weltmeister und Olympiasieger:
Der nächste Schritt, der für die Damen kommen muss, ist so etwas wie eine Vierschanzentournee. Sie brauchen eine Serie, bei der sich eine ähnliche Tradition und Wettkampfgeschichte aufbauen kann.
Morgenstern freut sich über eine positive Entwicklung, die der Skisprung der Frauen in den vergangenen Jahren genommen hat und stellt heraus, dass dieser ebenso attraktiv ist, wie der der Männer. Zwar müsse ein Kraftnachteil einkalkuliert werden, eine sehr gute Technik könne diesen aber bis zu einem gewissen Grad wettmachen. In jedem Fall seien ähnliche Weiten zu erreichen.
Ob, wie und wann eine Vierschanzentournee der Frauen eingeführt wird, ist eine Entscheidung des Ski-Verbandes Fédération Internationale de Ski (Fis).
Bundestrainer Bauer ist Teil des Fis-Komitees und hofft, auch andere Nationen von seinem Vorstoß überzeugen zu können. Unwahrscheinlich, dass ihm dies gelingt, ist es nicht: Insbesondere in Japan und den USA sind Skispringerinnen schon seit Jahren in der A-Liga des Sports angekommen.