Großrazzia gegen kriminelle Clans in NRW
Bei einer großangelegten Aktion gegen das organisierte Verbrechen haben Polizei und Justiz in Nordrhein-Westfalen Dutzende von Etablissements durchsucht. Neben Shisha-Bars und Cafés gehörten Wettbüros zu den schwerpunktmäßig kontrollierten Geschäften.
Bei den Razzien im gesamten Ruhrgebiet waren 1.300 Polizisten sowie Beamte der Zoll- und Finanzbehörden und des Ordnungsamtes beteiligt. Diese nach Angaben der Landesregierung bisher größte Aktion in Nordrhein-Westfalen richtete sich gegen arabische Clans, denen Vergehen bei Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit zur Last gelegt werden.
Die Razzien begannen zeitgleich am Samstagabend um 21.00 Uhr in Städten wie Bochum, Essen, Dortmund, Duisburg, Gelsenkirchen, Mühlheim und Recklinghausen und zogen sich zum Teil bis in den frühen Sonntagmorgen hin.
Die Razzien führten zu zahlreichen Festnahmen und Anzeigen
Auch Wettbüros wurden durchsucht (Bild: Wikipedia)
Den Justizbehörden war es anscheinend gelungen, die bevorstehende Aktion weitestgehend geheim zu halten. So konnten sie bei ihren Zugriffen die Geschäftsführer und Angestellten der Geschäfte überraschen und zahlreiche Beweismittel sicherstellen.
Dazu gelang es, viele tausend Euro Bargeld zu sichern. So fand die Polizei allein bei der Durchsuchung eines Verdächtigen in Essen 9.000 Euro. Darüber hinaus wurden in diversen Bars und Cafés mehrere hundert Kilogramm an unverzolltem Tabak, Betäubungsmittel und Waffen wie Messer und Teleskop-Schlagstöcke beschlagnahmt.
Landesweit kam es zu 14 Festnahmen und mehr als 100 Strafanzeigen gegen die überprüften Personen. Aufgrund minderschwerer Vergehen und Ordnungswidrigkeiten wurden zudem weitere 500 Anzeigen gestellt.
Da die Polizei gleichzeitig an mehreren Orten verstärkt Personen- und Verkehrskontrollen durchgeführt hatte, wurden 430 weitere Verwarngelder wegen überhöhter Geschwindigkeit und nicht zugelassener Fahrzeugteile verhängt.
Ein besonderes „Highlight“ bei den aus dem Verkehr gezogenen Autos war sicherlich eine elf Meter lange Stretch-Limousine: Neben erheblichen technischen Mängeln an dem Fahrzeug wurde der in die Länge gezogene Jeep von einem Mann ohne gültige Fahrerlaubnis chauffiert, woraufhin das auffällige Gefährt auf der Stelle stillgelegt wurde.
Für über zwei Dutzend der durchsuchten Betriebe hatten die Razzien ebenfalls unmittelbar Konsequenz: Wegen schwerwiegender Mängel bei Hygiene oder baulichen Bestimmungen wurden 25 Geschäfte sofort geschlossen. Unter anderem traf es eine Shisha-Bar in Dortmund, in der die Beamten eine lebensgefährliche Konzentration von Kohlenmonoxid maßen.
Auch Wettbüros wurden durchsucht
Neben den Cafés und Bars lag ein Schwerpunkt der Ermittler auf Wettbüros, die von Vertretern der Clans betrieben werden. Diese Geschäfte sind den Behörden schon längere Zeit ein Dorn im Auge, denn bei vielen Etablissements besteht der Verdacht auf den Einsatz illegal aufgestellter und nicht registrierter Spielautomaten.
Spielautomat (Bild: Pixabay)
Politik und Justiz kritisieren, dass auf diese Weise die Einnahmen an der Steuer vorbeigeschleust würden. Dazu umgingen die Betreiber mit den zusätzlichen Automaten die staatlichen Bemühungen zur Einschränkung des Glücksspiels und zum Schutz der Betroffenen vor Spielsucht.
Ein Schwerpunkt dieser Geschäfte ist neben NRW die Hauptstadt Berlin. Dort haben insbesondere die sogenannten Café-Casinos in den letzten Jahren stark zugenommen. Dabei handelt es sich um eine “genehmigungsfreie Kleingastronomie”, in der bis zu drei Spielautomaten aufgestellt werden dürfen. Polizei und Justiz äußerten jedoch wiederholt den Verdacht, dass es oft nicht nur bei den drei Automaten bliebe.
Ermittlungen gegen Großfamilien
Die Razzien richteten sich allesamt gegen Mitglieder von Familien-Clans, die in dem Bundesland bereits durch diverse Vergehen wie Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, Geldwäsche oder Steuerhinterziehung aufgefallen sind.
In der Folge war es deshalb bereits mehrfach zu Anklagen und Verurteilungen gekommen. Die Durchsuchungen vom Wochenende waren allerdings die bisher aufwändigste Aktion gegen diese kriminellen Familienstrukturen.
Entsprechend kämpferisch zeigte sich NRWs Innenminister Herbert Reul von der CDU im Anschluss an die Razzien:
Der Einsatz zeigt, dass manche Clan-Mitglieder sich offenbar systematisch über Recht und Gesetz hinwegsetzen. Für diesen kriminellen Teil der Großfamilien haben wir eine klare Botschaft: Bei uns in Nordrhein-Westfalen gilt nicht das Gesetz der Familie, sondern das Gesetz des Staates (…) Die heutige Razzia liegt voll auf unserer Nulltoleranz-Linie.
Trotz der zahlreichen sichergestellten Beweise und Wertgegenstände; ein spektakulärer Waffen-, Bargeld- oder Drogenfund blieb ebenso aus wie die Festnahme eines der Oberhäupter aus dem arabischen Clan-Milieu.
Das weiß auch Essens Polizeipräsident Frank Richter, der seit Längerem ein verschärftes Vorgehen gegen die Clans forciert. Er spricht deshalb lieber von einer „Taktik permanenter Nadelstiche“. Diese seien ein gutes Werkzeug, um die Macht der Clans öffentlichkeitswirksam zu unterminieren.
Bereits 2018 vergleichbare Groß-Razzien
Dass es die Behörden im gesamten Land mit ihren Bemühungen ernst meinen, zeigte sich bereits im letzten Dezember, als die Ermittler im Rahmen mehrerer groß angelegter Razzien gegen die italienische Mafia-Organisation ‚Ndrangheta knapp 90 Verdächtige festnahmen und millionenschwere Besitztümer sicherstellten.
Auch in Berlin kam es im letzten Jahr zu vergleichbaren Aktionen. Dort wurde im vergangenen Juli und August gegen kriminelle Mitglieder arabischer Großfamilien ermittelt. Dabei waren Wohnungen und Geschäfte wegen des Verdachts auf Drogenhandel im großen Stil durchsucht und vier Personen festgenommen worden.