Freitag, 22. November 2024

Akte Wettmafia – Wie sauber ist der deutsche Fußball?

Fußball Schatten|Fußballer

Filmemacher Benjamin Best begibt sich in seiner Dokumentation „Akte Wettmafia – Deutschland und die organisierte Fußballkriminalität“ in die Untiefen des Wettbetrugs. Die Kartelle operieren europaweit mit Spielmanipulationen und fahren so Wettgewinne in Millionenhöhe ein. Ihr Hauptstandort: Deutschland.

Wettmanipulation – Ein disziplinübergreifendes Problem

Fußballer, Schuh. Ball

Verschobene Spiele und Millionen durch Wetteinnahmen: Wieviel Kontrolle hat die Wettmafia über Fußball-Deutschland? (Quelle:Normanvogel, licensed under CC 3.0)

Immer wieder gibt es Meldungen über Verdachtsfälle, Festnahmen und Razzien im Kontext der Spielmanipulation und des Wettbetrugs. Weltweit werden Sportler gesperrt und müssen Geldstrafen zahlen, ob im Tennis oder Fußball, es scheint kaum einen Sport zu geben, der nicht betroffen ist. Und das, obwohl Verbände in den letzten Jahren ihre Bemühungen, Unregelmäßigkeiten aufzudecken und Präventionsarbeit zu leisten, stetig intensivieren.

Zuletzt Schlagzeilen machte ein Fall in Belgien: Im Oktober durchsuchten über 200 Fahnder die Räumlichkeiten von zehn der 16 belgischen Fußball-Erstligisten. Die Operation „Saubere Hände“ gipfelte in der Verhaftung von 17 Trainern, Spielerberatern und Schiedsrichtern, die im Verdacht standen, Teil eines Netzwerkes zum organisierten Wettbetrug zu sein.

Wettmafia: Osteuropäische Kartelle bestimmen den Markt

In „Akte Wettmafia – Deutschland und die organisierte Fußballkriminalität“ begeben sich die Journalisten in ein Schattenreich des deutschen und europäischen Sports, der fernab der öffentlichen Wahrnehmung floriert und Millionenbeträge generiert.

Das System dahinter ist so simpel wie effektiv: Man suche sich sportliche Wettkämpfe und platziere Wetten auf einen Ausgang, den man bereits im Vorhinein kennt, weil man ihn gekauft hat.

Die Akteure:

  • Die „Paten“: Sie halten sich im Hintergrund und sind diejenigen, die die Partien auswählen, auf die gewettet werden soll. Sie sitzen oft im Ausland und stellen die Wetteinsätze zur Verfügung. Letztendlich sind sie es, an die auch die Gewinne fließen. Die Aufträge erteilen sie an:
  • Die „Fixer“: Sie sind diejenigen, die die Deals machen. Sie finden Menschen, die in der Position sind, entscheidend auf den Ausgang eines Spiels einzuwirken. Und sie finden deren Schwachpunkte.
  • Die „Runner“ bilden das letzte Glied der mafiösen Kette. Stundenlang sitzen sie in Wettbüros und warten auf das „Go“ der Chefs. Erhalten sie über verschlüsselte Nachrichten Informationen zu verschobenen Spielen, geht es ganz schnell: Sie schwärmen aus und platzieren zu Dutzenden, teilweise auch zu Hunderten, Wetten bei verschiedenen Anbietern.

Ein „Fixer“ erklärt sein Handwerk

Marijo Cvartak hat lange als „Fixer“ für die armenische Mafia in Deutschland agiert. 2010 wurde er dafür von einem Gericht zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Im Prozess hatte er zugegeben, an 60 Spielmanipulationen mitgewirkt zu haben. 22 davon betrafen Spiele vom Jugendfußball bis zur 2. Bundesliga in Deutschland.

Auch die Champions League steht im Verdacht, von Spielmanipulation betroffen zu sein. Die Pariser Staatsanwaltschaft ermittelt.

Im Oktober trafen Paris St. Germain und Roter Stern Belgrad in Paris aufeinander.

Kurz vor Beginn der Partie meldete sich ein Informant bei der UEFA und wies darauf hin , dass ein hochrangiger Funktionär der serbischen Mannschaft fünf Millionen Euro auf die Niederlage des eigenen Clubs gesetzt hatte.

Auch ein Blick in die Wettquoten für das Spiel macht nachdenklich. Während die Quoten zwei Wochen vor dem Spieltag keine Auffälligkeiten zeigten schoss das Wettgeschehen zwei Stunden vor Anpfiff plötzlich in die Höhe.

Insbesondere darauf, dass fünf oder mehr Tore fallen würden, wurden schlagartig Wetten platziert. Die Partie endete 6:1 für PSG. Genau dieses Ergebnis hatte auch der Anrufer vorhergesagt.

Im Interview gibt der verurteilte Cvrtak einen Einblick in die Abläufe: Er habe lange in Wettbüros gearbeitet, in denen auch Profispieler regelmäßig ein- und ausgingen. So seien die Sportler schon zu schnell potenziellen Opfern geworden:

Wenn jemand schon zockt, verzockt ist, ist es nur eine Frage des Geldes, wann er „Ja“ sagt. Wenn er bei 10.000 nicht schwach wird, 20.000, 50.000, 100.000… Jeder hat seinen Preis.

Wettmafia in Deutschland: Was tun?

Einer der an den Ermittlungen um Cvrtak ab dem Jahr 2008 beteiligt war, ist der Bochumer Kriminalhauptkommissar Michael Bahrs. Mittlerweile ist er der einzige verbliebene Ermittler der damaligen SoKo „Flankengott“, der das Thema bis heute bearbeitet.

Der größte Schlag gegen Spielmanipulation der deutschen Geschichte ist heute verpufft, die Akteure handeln nahezu unbehelligt.

DFB Logo

Umgang mit der Wettmafia: Reagieren die Verantwirtlichen zu träge? (Quelle:Deutscher Fußball-Bund/Marsupilami, public domain)

Zum einen liegt dies daran, dass Wetten in deutschen Annahmestellen anonym platziert werden können. Wenn Unregelmäßigkeiten auffallen, können Wettanbieter zwar die Quoten senken oder die Wette komplett schließen, die Runner ziehen derweil weiter zum nächsten Buchmacher. Sie im Nachhinein zu identifizieren, ist unmöglich.

Hinzukommen laut Ermittler Bahrs strukturelle Probleme in der Aufarbeitung. So besitzen die deutschen Strafverfolgungsbehörden kein Ressort, dass sich explizit der Problematik „Spielmanipulation/Wettbetrug“ widmet und auch die Zusammenarbeit mit den Fußballverbänden verlaufe eher schleppend.

Überhaupt, die Verbände. Während einerseits seit dieser Saison jährliche Schulungen in Sachen Prävention und Aufklärung bei Vereinen und Leistungszentren Pflicht sind, haben zwei Drittel der Clubs der ersten und zweiten Bundesliga Sponsoring-Verträge mit Anbietern von Sportwetten.

Tipico ist zudem offizieller Partner von DFL und Bundesliga, Oddset unterstützt den DFB. Umstände, die Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VDV kritisch sieht:

Wie will ich einem Spieler glaubhaft vermitteln, dass er selber nicht wetten darf oder nicht wetten soll, wenn er das Logo des Wettanbieters bei sich auf der Brust trägt? Das ist schon sehr problematisch.

Rund 70 Milliarden Euro wurden 2017 online und in Wettbüros auf den deutschen Fußball gewettet. Laut DFL gab es hierbei keinerlei Auffälligkeiten.

Glaubt man hingegen den Aussagen von Insidern wie „Fixer“ Cvartak und Ermittler Bahrs, hat sich das organisierte Verbrechen fest in den Sportwetten eingenistet und breitet sich stetig aus. Belässt man es dabei, ist der Traum eines sauberen Fußballs bald endgültig ausgeträumt.