Diskriminierung unter Gamern: Wie reagieren Hersteller und Community?
Seit langem ist bekannt, dass es im Umfeld des Gamings immer wieder zu rassistischen, misogynen und homophoben Ausfällen kommt. Nun reagieren die ersten Hersteller und verhängen empfindliche Strafen bei Verstößen gegen die Regeln des Anstands und des guten Geschmacks. Doch was bedeutet das für die Gamer?
„Das Wasteland von Schwulen säubern“
Der Gamer „AJpls“ streift in seiner Freizeit gern mit seinen Freunden durch die post-apokalyptischen Weiten des Online-Computer-Rollenspiels Fallout. Seine Zuschauer auf der Streaming-Plattform Twitch können ihm live dabei zusehen, wie er Rätsel löst, Aufgaben bewältigt und mit Gegnern kämpft. So weit, so üblich.
Streamer AJpls wendet sich via Twitter an Fallout-Hersteller Bethesda (Quelle:twitter.com/@twitch_ajpls)
Im November traf „AJpls“ auf eine Gruppe Kontrahenten, die den Kampf nach einem kurzen Aufeinandertreffen auf eine andere Ebene brachten: Sie nannten sich „Gay Eliminators“ (dt. „Schwulenvernichter“) und kündigten unter anderem über den Voicechat an, „das Wasteland von allen Homosexuellen säubern zu wollen“.
AJpls, der aktives Mitglied der LGBTQ-Community und passionierter Gamer ist, postete die schockierenden Vorgänge im Anschluss auf Twitter und bat die Fallout-Herstellerfirma Bethesda um Rückmeldung:
Wie genau meldet man eigentlich Fallout-Spieler, wenn sie als homophobe Killer durch ein Game streifen und Schwule jagen?
Eigentlich verfügt Fallout 76 über eine interne Meldefunktion, diese ist laut AJpls aber kaum nutzbar. Vielleicht lag es (auch) an der Öffentlichkeit, die der Fall durch die Verbreitung auf Twitter erfuhr, jedenfalls reagierte Bethesda umgehend und bannte die verantwortliche Gruppe von High-Level-Spielern zeitnah für drei Tage.
Diskriminierung unter Gamern: Überzeugung oder Unreife?
In der Folge fühlte sich der Anführer, ein Oberstufenschüler aus den USA, bemüßigt, die Videomitschnitte des Vorfalls nun seinerseits in den sozialen Medien hochzuladen. Die Überschrift: „Cleansing of the queers.“
Ein wohl gezielter Tabubruch: Das „Cleansing“ entspricht dem deutschen Begriff der „Säuberung“, der auch von den Nationalsozialisten als Euphemismus für den organisierten Mord an Homosexuellen verwendet wurde.
In einem Gespräch (Link auf Englisch)mit der populären Seite „eurogamer.net“ gab er sich zudem unwissend: Er verstehe die ganze Aufregung nicht, schließlich habe er in jener Nacht lediglich Spaß mit seinen Freunden gehabt.
Sie hätten es eben lustig gefunden, Leute zu beleidigen.
Natürlich könne man das, wenn man wolle, als böse bezeichnen, er selbst, fügte er hinzu, sehe es eher als einen Ausdruck „spielerischer Unreife“.
Eine Wertung, der die Fallout-Verantwortlichen nicht folgten. Nach weiterer Sichtung des Materials entschieden sie, dass der Spieler ebenso wie seine Freunde ihre „Unreife“ künftig woanders ausleben müssen: Aus dem dreitägigen Bann wurde ein Ausschluss auf Lebenszeit.
Dota 2: Kein Raum für anti-chinesischen Rassismus
Nicht auf Lebenszeit, aber doch schmerzhaft deutlich wirken sich auch die Konsequenzen aus, die der philippinische Profi-Gamer „Kuku“ für rassistische Ausfälligkeiten zu tragen hat:
China: Null Toleranz bei anti-chinesischem Rassismus (Quelle:pixabay.com/Dsndrn_Videolar, licensed nder CC0)
Nachdem er die Kommunikation chinesischer Gegner im Chat des Spiels „Dota 2“ abfällig mit „Ching Chong“ kommentiert und dem Spiel damit einen Sturm der Entrüstung zumeist chinesischer Gamer beschert hatte, kündigte sein Team TNC Predator auf immensen Druck von außen Sanktionen an:
Die Hälfte seiner Preisgelder sollten einbehalten und an ein Anti-Rassismus-Projekt gespendet werden.
Den Veranstaltern eines im Januar anstehenden, mit Millionen Dollar dotierten Dota 2-Turniers im chinesischen Chongqing reichte das nicht:
Nachdem die Stadtverwaltung gedroht hatte, das gesamte Event bei Erscheinen Kukus abzusagen, reagierte Dota-Hersteller Valve und schloss den eSportler von der Veranstaltung aus.
Während diese zwei Beispiele zeigen, dass Hersteller durchaus in der Lage sind, diskriminierendes Verhalten zu ahnden, bleibt die Frage, wie die Spieler und Communities selbst mit den Themen Diskriminierung und Hate Speech umgehen wollen.
Grenzüberschreitung als Unterhaltung
Nicht erst seit gestern ist bekannt, dass im Netz und somit auch beim onlinebasierten Gaming, oft Grenzen überschritten werden. Was im Real Life klar den Straftatbestand der Beleidigung oder Volksverhetzung erfüllt, fällt dem ein oder anderen vor dem heimischen Computer leicht. Ob in Kommentarspalten oder Voicechats, in der Sicherheit der Anonymität scheinen Schläge unter die Gürtellinie nur ein paar Tastenanschläge entfernt.
Die bevorzugten Opfer übergriffiger Gamer und Trolls: Alle, die sich vermeintlich eignen.
Ob Rassismus, Schwulenhass oder Frauenfeindlichkeit: Obwohl es beim Gaming auf Geschick und ähnliche Skills ankommt, die in keinem Zusammenhang zu Geschlecht, sexueller Orientierung oder Herkunft des Spielenden stehen, scheint sich der ein oder andere männliche Spier gern auf das vermeintliche Ideal des heterosexuellen weißen Mannes berufen zu wollen.
Diese Erfahrung kennt auch Twitch-Streamerin Nina, die auf Veranstaltungen wie der TinCon als Rednerin mehr Diversität in der Gamingszene einfordert. Ihrer Erfahrung nach gibt es ganze Communities, die geradezu „toxisch“ sind.
#GamerLeaksDE – Nice try
Ein Beispiel hierfür war der Versuch, unter #GamerLeaksDE Betroffene von Diskriminierung im Gaming ihre Erfahrungen öffentlich machen zu lassen. Doch statt einer Öffnung des Themas wie beispielsweise bei #MeToo oder #MeTwo hatte der Erfolg des Hashtags einen bitteren Geschmack:
Trolle hatten die Aktion übernommen und mit Beleidigungen und Widerlichkeiten geflutet. Der Einblick in die Lebenswirklichkeit der Betroffenen durch Erfahrungsberichte wurde von der Realität überholt: Wer wollte, konnte ganz ungefiltert miterleben, wie sich Hass und Diskriminierung Bahn brachen.
Die Frage nach der Verantwortung
Übrig bleibt, dass es beim Gaming, ebenso wie im Netz überhaupt, genauso ist wie überall: Die Lauten werden wahrgenommen, unabhängig davon, was sie von sich geben. Dadurch wirken sie schnell größer und stärker, als sie eigentlich sind.
Das weiß auch Nina, die Streamerin, wie sie im Gespräch mit dem ze.tt-Magazin erklärt:
Anhand meiner Erfahrungen in und mit der gesamten Szene kann ich glücklicherweise berichten, dass auf jeden hasserfüllten, giftigen Kommentar drei offene, tolerante und herzliche Kommentare kommen, die sich klar gegen diese Negativität stellen.
Klare Community-Richtlinien, die auch von den Machern konsequent umgesetzt werden, können ein Teil des respektvollen Umgangs beim Gaming untereinander sein.
Die eigentliche Verantwortung liegt aber bei denen, die sich ihren Spaß nicht von ein paar wenigen, die Hate Speech für Humor halten, verderben lassen wollen.