Right to Dream & Manchester City: Nachwuchs als Geldanlage?
Schulbildung und die Aussicht auf eine Profi-Karriere im Spitzenfußball: Die Akademie „Right to Dream“ (RtD) (dt. Das Recht zu träumen) engagiert sich in der Nachwuchsförderung in Westafrika. Neueste Enthüllungen der Football Leaks rücken das Engagement des Vereins Manchester City für die Fußballakademie nun in ein anderes Licht.
Fußball als Entwicklungszusammenarbeit
Fußball: Für viele afrikanische Nachwuchsspieler eine Chance der Armut zu entkommen. (Quelle:pixabay.com, WikimediaImages, licensed under CC0)
Die Suche nach neuen Talenten ist elementar für den Fußball. Wer junge Spielerinnen und Spieler früh entdeckt und professionell aufbaut, investiert in die Zukunft des Fußballs und vielleicht auch die des eigenen Vereins.
Doch nicht nur das: Insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent bedeutet die Aufnahme in eine der privaten Fußballakademien neben der Hoffnung auf eine große Karriere oft auch die Chance, bitterer Armut zu entfliehen. Für die SpielerInnen, ihre Familien, nicht selten sogar für ganze Dörfer. Fußball als Entwicklungszusammenarbeit.
Die Hoffnung auf ein besseres Leben
Eine der Akademien, die in ganz Westafrika auf Talentsuche geht, ist die Stiftung „Right to Dream“, die ihren Sitz in Ghana, zwei Autostunden entfernt von der Hauptstadt Accra, hat. 90 Kinder trainieren auf dem Areal der 1999 gegründeten Elite-Akademie. Sie sind die Besten der Besten, die Prince, der Talentscout, ausfindig gemacht hat.
Prince reist im Auftrag der Akademie durch ganz Westafrika, legt auf meist unbefestigten Straßen Tausende von Kilometern zurück, um auch im letzten Winkel der Region, fernab der großen Städte, auf Talentsuche zu gehen. 25.000 Kinder sichtet er pro Jahr, 15 von ihnen werden in die renommierteste Fußballakademie Westafrikas aufgenommen.
Hier erhalten die Kinder und Jugendlichen Kost und Logis, eine vergleichsweise hohe Schulbildung und Fußballtraining auf Profiniveau. Die Bilanz der Akademie: Über 70 Absolventen haben bisher Stipendien für Schulen in Europa und den USA erhalten, 48 wurden Profi-Fußballer.
Der Gründer von Right to Dream, der britische Unternehmer Tom Vernon, ist stolz auf den Einsatz, den die Stiftung in Ghana zeigt:
Keine Sportorganisation in Ghanas Geschichte, abgesehen von der ghanaischen Regierung, hat so viel in Sporteinrichtungen investiert.
Und auch Harry Adepuki, Senior School Executive, sieht die Akademie mit einem besonderen Auftrag ausgestattet:
Unsere Schüler müssen verstehen, dass sie darauf stolz sein können, Afrikaner zu sein. Dass Afrikaner etwas Einzigartiges zu bieten haben. Für uns ist es wichtig, das auch zu feiern. Sie gehen hinaus in die Welt als Vorbilder, als Change Maker – da wollten wir, dass sie stolz darauf sein können, wer sie sind. Deswegen haben wir ein besonderes Unterrichtsfach ausgearbeitet.
Chancen und Opfer
Dass das Leben an einer solchen Fußballakademie für die Kinder und Jugendlichen nicht immer leicht ist, ob in Europa oder Afrika, steht außer Frage. Auf dem durchgetakteten Stundenplan stehen nicht nur Unterrichtseinheiten, sondern auch Heimweh und Einsamkeit. Nicht selten werden Kinder bereits mit nur acht Jahren entdeckt und in die Akademie aufgenommen. Dort bleiben sie dann teilweise bis zur Volljährigkeit.
Die Right to Dream Akademie: Fußball als Entwicklungszusammenarbeit? (Quelle: Right to Dream, licensed under CC 4.0)
Besuche können sich nur die wenigsten ihrer Familien leisten.
Doch wer das große Los gezogen hat, klagt nicht. Ein zehnjähriger Junge, den der NDR auf seinen Recherchen bei Right to Dream interviewt, zeigt sich tapfer: Seit zwei Jahren sei er hier und vermisse seine Mutter sehr. Aber er dürfe einmal in der Woche mit ihr telefonieren.
Achtjährige, die fernab ihrer Familie Höchstleistungen bringen, um ihrem Traum näherzukommen – einem Außenstehende kann sich die Frage aufdrängen, ob Kinder so aufwachsen sollten. Für die jungen Spieler scheint es jedoch keinen Zweifel zu geben: Turin, Barcelona, Real, wie ihre großen Vorbilder wollen sie Karriere bei den besten Klubs der Welt machen. Das steht für sie fest und dafür kämpfen sie Tag um Tag.
Spieler oder Geldanlage?
Was sie zu diesem Zeitpunkt nicht wissen: Mit der Volljährigkeit und dem Verlassen der Akademie wird es für sie nicht nach Spanien oder Italien gehen. Der verheißungsvolle Name der Akademie verspricht schließlich niemandem, dass sich die Träume auch erfüllen. Die Hoffnung kann zum Zynismus werden, die Spieler zu Kapitalanlagen.
Seit dem Jahr 2010 unterstützt der englische Premier-League-Meister Manchester City die Stiftung Right to Dream. Rund 850.000 Pfund ist dem Verein die Sichtung und Ausbildung der jungen westafrikanischer Talente im Jahr wert. Laut geheimer Dokumente der Football Leaks aus einem ganz bestimmten Grund: Manchester City sichert sich in einem Vertrag mit Right to Dream die Rechte an den Absolventen. Und das, obwohl der Handel mit minderjährigen Talenten laut FIFA offiziell verboten ist.
Junge Talente: Erstzugriffsrecht für Manchester City? (Quelle:pexels.com/Kinan Casem)
In dem den Journalisten des Recherchenetzwerks EIC vorliegenden Papieren heißt es im Original: „Right to Dream shall be obliged to use its best endeavours to effect the transfer of the Player´s registration to Manchester City“, auf gut Deutsch: Right to Dream hat dafür zu sorgen, dass die Talente im Anschluss an ihre Ausbildung in Ghana bei Manchester City unterschreiben.
Ein weiterer Passus in den Dokumenten garantiert dem Verein, dass ein Transfer zu einem anderen Verein nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der Engländer durchzuführen ist.
Was schon als eine Art „Vorkaufsrecht“ gegen die Regeln des internationalen Fußball verstößt und die Spieler ihrer Wahlfreiheit beraubt, zieht noch weitere Kreise: Wer bei Manchester City unterschreibt, kann nicht zwingend davon ausgehen, auch für den Prestigeverein aufzulaufen, wie das Beispiel des heute 22-jährigen Divine Naah belegt.
Vertrag bei MC: Sechs Vereine in drei Jahren
Ghana liegt im südlichen Westafrika (Quelle: Google Maps)
Mit elf Jahren wurde Divine Naah beim Fußballspielen auf den Straßen der 2-Millionen-Metropole Accra von einem RtD-Scout entdeckt. Es folgten sieben Jahre Ausbildung und Training in der Akademie und sein Traum vom FC Barcelona schien stetig näherzurücken. Mit 18 unterschrieb Naah dann bei Manchester City. Die Ablöse: Ein Pfund.
Er bestritt kein einziges Spiel für die Briten.
Stattdessen: Sechs Vereine in nur drei Jahren. Norwegen, Holland, Dänemark, Schweden, Divine Naah erzählt, dass man ihm in Manchester klargemacht habe, er habe keine Chance, für den Verein zu spielen.
Er sei wütend gewesen, habe aber keine andere Möglichkeit gesehen, als dem Verleih an andere Klubs zuzustimmen. In der Folge habe er ständig wechseln müssen und keine Zeit gehabt, sich irgendwo einzuleben.
„Innovative Kapitalanlagen“ und riesige Rendite
Damit steht Divine Naah exemplarisch für eine Strategie von Manchester City , die die Football Leaks-Dokumente offenlegt: Die Nachwuchsspieler im Alter von 16 bis 20 Jahren sind für Investoren eine „innovative Kapitalanlage“. Man erwartet eine mittlere Rendite von 24 %.
Dabei geht es weniger um den Aufbau von Starspielern im eigenen Kader als um Erlöse durch Verkauf und Verleih von Talenten wie Divine Naah. So bilanzierte Manchester City für das Jahr 2015 zufrieden:
Das Investment hat 13,2 Millionen Pfund und einen MCFC-Kaderspieler generiert.
Und
Die Investition in Jugendspieler hat sich als profitabel für City erwiesen. (…) Der Marktwert der Spieler ist 76 Millionen Pfund und es könnten bis zu 151 Millionen Pfund werden.
Auf Anfrage des Magazins Der Spiegel betont Right to Dream in Ghana:
Kein Absolvent wurde jemals zu einer Entscheidung über seine Zukunft gezwungen und wird es auch künftig nicht.
Manchester City lässt derweil detaillierte Anfragen unkommentiert, sieht sich aber als Opfer einer Kampagne und dem „organisierten und eindeutigen Versuch, dem Ruf des Vereins zu schaden“.
Dänemark statt Manchester
Mittlerweile wechseln immer mehr Talente aus Ghana nicht mehr zu Manchester City, sondern zu dem ost-dänischen Klub FC Nordsjælland. Laut Football Leaks regelt ein Vertrag zwischen beiden Vereinen, dass die Dänen Right to Dream-Spieler nur mit Erlaubnis von Manchester City weiterverkaufen dürfen und die Briten jeweils einen Transfererlös von 25 % erhalten. Transfers nach Manchester sollten nach Möglichkeit kostenlos durchgeführt werden.
Zwar untersagen die FIFA-Regularien Vereinen die Einflussnahme auf Arbeitsverhältnisse oder Transferangelegenheiten anderer Klubs, doch der Eigner des dänischen FC Nordsjælland (FCN) sah in einer ersten Stellungnahme keine Schwierigkeiten bei den Absprachen der beiden Vereine. Er sei überzeugt, „dass wir uns mit RtD und FCN an alle relevanten Fußballregeln halten“. Später ergänzte er, dass die Verträge, ganz unabhängig von den Recherchen, sowieso nicht mehr in Kraft seien.
Der Name des FCN-Chefs: Tom Vernon. Seines Zeichens Gründer der Right to Dream Akademie.
Divine Naah spielt mittlerweile bei einem Zweitligisten in Belgien. Das System Manchester City hat er verlassen. Zwar verdiene er jetzt weniger als zuvor, könne aber selbst entscheiden, wohin er gehe:
Jetzt ist es mein Leben.