Fußball in Belgien: Razzien und Festnahmen bei Topklubs
Ein Korruptionsskandal erschüttert den belgischen Spitzenfußball. Am Mittwoch durchsuchte die belgische Polizei die Räumlichkeiten von zehn Erstliga-Vereinen. Trainer, Manager und Schiedsrichter wurden festgenommen.
Überraschungsaktion mit über 200 Fahndern
Nach monatelangen Ermittlungen kam es gestern in Belgien zum Showdown: Gemeinsam mit der Bundespolizei von Brüssel, Antwerpen, Lüttich, Ostflandern, Westflandern, Leuven, Walloinisch-Brabant, Halle-Vilvoordet und Mons startete die Kriminalpolizei Limburg am frühen Mittwochmorgen eine großangelegte Razzia.
Insgesamt 184 Polizisten aus Belgien und 36 Beamte aus dem Ausland waren bei den 44 Durchsuchungen im ganzen Land im Einsatz. Im Visier der Ermittler: Ein Netzwerk im Spitzenfußball, das im Verdacht steht, Geldwäsche und Spielmanipulation im ganz großen Stil betrieben zu haben.
Im Juni 2018 erschütterte ein Korruptionsskandal den Fußball in Ghana. Eine zweistündige Fernsehreportage hatte unter anderem öffentlich gemacht, wie Schiedsrichter Geld angenommen hatten und der Präsident des Fußballverbands von Ghana (GFA), Kwesi Nyantakyi, Schmiergeld von umgerechnet 9,3 Millionen Euro einforderte. Nyantaki gilt als einer der einflussreichsten Funktionäre des afrikanischen Fußballs und ist Mitglied des Councils der FIFA.
Nach Ausstrahlung der Filmaufnahmen suspendierte die Regierung die Offiziellen des GFA und verfügte die Stilllegung des Geschäftsbetriebs des Verbands. Dem Vorstoß, den Verband komplett aufzulösen, steht die FIFA entgegen: Ihr Reglement erlaubt keine Einmischung seitens der Regierungen. Hält Ghana an seinem Plan fest, wird das Land von der FIFA suspendiert.
Zehn von 16 Erstligisten involviert?
Unter den von den Hausdurchsuchungen Betroffenen befanden sich auch zehn der 16 Vereine der Jupiler Pro League, der höchsten belgischen Fußballliga. So überraschten die Fahnder unter anderem den FC Brügge, Borussia Dortmunds Champions League-Gegner, Standard Lüttich, KV Mechelen, Royal Antwerpen und den Rekordmeister RSC Anderlecht.
Bei den Durchsuchungen wurden zahlreiche Dokumente sichergestellt.
Unter den Festgenommenen befinden sich auch zahlreiche Schiedsrichter (Quelle:pixabay,com, licensed under CC0)
Und es blieb nicht bei der Beweissicherung: Die Beamten verhafteten bei der Aktion zudem prominente Akteure des belgischen Fußballs. Ivan Lenko, der Trainer des amtierenden Meisters FC Brügge wurde in Gewahrsam genommen und am Donnerstagvormittag bereits dem Haftrichter vorgeführt, wie sein Anwalt verlauten ließ. Unter den Festgenommenen ist auch der ehemalige Manager des RSC Anderlecht, Herman Van Holsbeeck.
Auch zahlreiche Erstliga-Referees, darunter die beiden FIFA-Schiedsrichter Bart Vertenten und Sebastien Delferiere, und drei Spielerberater wurden festgenommen.
Spieleragent Mogi Bayat im Zentrum der Ermittlungen
Medienberichten zufolge soll der ehemalige Manager des Vereins Sporting Charlesroi und heute einflussreichste Spieleragent des Landes, Mogi Bayat (44), der Schattenmann hinter den nun aufgedeckten Machenschaften sein.
Was den Akteuren konkret zur Last gelegt wird, ist bisher nicht klar. Im Groben geht es um den Vorwurf, Spiele seien in der Saison 2017/18 von einer kriminellen Vereinigung verschoben worden, also Spielmanipulation. Hinzu kommt der Verdacht auf Finanzbetrug, Geldwäsche und Steuerhinterziehung.
Ermittlungen bereits seit 2017
Bereits Ende 2017 hatte das Dezernat für Sportbetrug der Bundespolizei mit den Ermittlungen begonnen, nachdem der VC Westerlo, der Ende der Saison 2016/2017 abgestiegen war, Klage eingereicht hatte.
Herman Wynants, der Vereinsvorsitzende Westerlos war sich sicher, dass die Partie, die am letzten Spieltag der Saison von den Vereinen Kortrijk und Mouscron ausgetragen worden war, nicht mit rechten Dingen vonstattenging. Royal Excel Mouscron brauchte den Auswärtssieg beim KV Kortrijk und erlangte diesen.
Für Wynants allerdings nicht wegen der spielerischer Überlegenheit der Royalen, sondern aufgrund der Tatsache, dass sowohl für Mouscron als auch für Kortrijk Spieler auf dem Platz standen, die von Agent Bayat betreut wurden.
Derzeit gehen die Ermittler davon aus, dass auch in der Spielzeit 2017/18 einige Spiele verschoben wurden.
Dubiose Geldflüsse ins Ausland
Hinzu kommen auffällige finanzielle Transaktionen, die laut der belgischen Staatsanwaltschaft in der vergangenen Saison von unterschiedlichen Spielervermittlern getätigt wurden. Hierbei geht es in erster Linie um Provisionen aus Spieler- und Trainergehältern sowie Spielertransfers und weitere Zahlungen, die am Finanzamt vorbeigeschmuggelt werden sollten.
In diesem Kontext wurden zeitgleich zu den Razzien in Belgien auch Durchsuchungen in 13 weiteren europäischen Ländern durchgeführt, darunter Frankreich, Luxemburg, Mazedonien, Serbien, Montenegro und Zypern.
Zurückhaltung von offizieller Seite
Die offiziellen Reaktionen auf die Ermittlungen und die erfolgten Aktionen der Behörden sind zurückhaltend: FIFA und UEFA teilten mit, über die Vorgänge informiert zu sein und mit dem belgischen Fußballverband URBSFA in Verbindung zu stehen. Dieser hatte zuvor in einer Stellungnahme erklärt, die Ermittlungen mit „voller Transparenz“ unterstützen zu wollen.
Die von den Durchsuchungen betroffenen Vereine Anderlecht, Lüttich und Mechelen bestätigten die Razzien und gaben an, vollumfänglich mit den Ermittlern kooperieren zu wollen.
Vereine versprechen Kooperation und Transparenz
Ach der Präsident des FC Brügge, Bart Verhaege, versichterte, sein Verein werde mit der Poliztei zusammenarbeiten. Seiner Meinung nach handelt es sich bei den Vorwürfen gegen Trainer Ivan Lenko, der private Beziehungen zum ebenfalls festgenommenen Spielerberater Dejan Veljkovic pflegt, um ein großes Missverständnis:
Die Untersuchungen werden zeigen, dass bei uns alles sauber ist. Zudem schützen wir unseren Trainer Ivan Leko, dem nichts vorzuwerfen ist.
Vorsichtige Töne waren auch aus der belgischen Politik zu hören. So gab sich der belgische Justizminister Koen Geens in einem Statement besorgt:
Die Spielabsprachen untergraben die Integrität des Sports. Die Justiz arbeitet an einem fairen Sport.
Via Twitter meldete sich Philipp Muyters, der flämische Sportminister, zu Wort und forderte die „volle Transparenz und Kooperation“ der betroffenen Vereine bei den nun anstehenden weiteren Ermittlungen. Die Fans und vielen ehrlichen Sportler hätten ein Anrecht auf einen sauberen Sport.
Nach dem bislang größten Erfolg der belgischen Nationalmannschaft, dem dritten Platz bei der Fußball WM 2018 in Russland, folgt nun ein Skandal, der die Fußballwelt in Belgien nachhaltig erschüttert. Welche Konsequenzen Politik, Verbände und Vereine daraus ziehen werden, ist derzeit noch ungewiss. Das Vertrauen der Fans dürfte aber maßgeblich erschüttert sein.