Sonntag, 24. November 2024

„Nur nicht darüber reden!“ – Von Lottoberatern und ihren Kunden

Champagnerflaschen in Kühler|ausgefüllter Lottoschein||

Immer wieder füllen Geschichten von Lotto-Gewinnern, die zu ganz großen Verlierern wurden, die Schlagzeilen. Es sind Geschichten von Rausch und Verschwendung, von Protz, Gier und dem tiefen Fall nach dem plötzlichen, ganz großen Glück. Dafür, dass diese Geschichten nur Einzelfälle sind und auch bleiben, sorgen Lottoberater und -betreuer, die den Gewinnern schon zur Seite stehen, bevor die Beträge überwiesen werden. Ihr erster und wichtigster Ratschlag: „Nur nicht darüber reden!“.

Persönliche Betreuung ab 100.000 Euro Gewinn

Ein Jackpot-Gewinn stellt das Leben auf den Kopf. Glücklich ist, wer denselben nicht sofort bei der Gewinnbenachrichtigung verliert.

Damit der Traum vom Lotto-Gewinn nicht zum Albtraum wird, steht jedem Gewinner in Deutschland ab einer Summe von 100.000 Euro ein Beratungsgespräch zu. Ganz ohne Forderungen oder Verpflichtungen und vor der Auszahlung.

Plötzliche Verlustangst: unterm Kopfkissen

Bei aller Freude: Wer das große Los gezogen oder die richtigen Kreuzchen gesetzt hat, steht zunächst nicht selten unter Schock. Bevor der Gewinn ausgezahlt wird, muss die Quittung geprüft werden und nicht selten kommt es im Vorfeld zu beinah absurden Szenen, wie Rainer Holmer (48), Gewinnbetreuer bei Lotto Bayern, zu berichten weiß:

Die Leute erfahren ja schon ein paar Tage vorher, dass sie gewonnen haben. Und da bekommen viele schon Angst, dass etwas mit dem Zettel passieren könnte. Weil ohne Zettel – kein Gewinn.

So habe einer der Gewinner seinen Spielschein gefroren überreicht, er hatte sie im Eisfach versteckt. Der Gewinnschein einer älteren Dame roch verdächtig stark nach Kaffee, die Dose war ihr als geheimer Safe-Ersatz als am sichersten erschienen.

Der Klassiker ist laut Holmer, der seit 17 Jahren bei Lotto Bayern angestellt ist, aber ein sehr traditioneller: Der Großteil der Gewinner bewahrt sein großes Glück bis zur Prüfung unter dem Kopfkissen auf. Mit zum Teil nicht unerheblichen Konsequenzen: Durch das ständige Rückversichern, ob der Schein auch wirklich noch da ist, leidet so manch ein Gewinner für einige Nächte unter enormen Schlafmangel.

Während der bayerische Lottobetreuer Holmer die Großgewinner aus dem südlichsten Bundesland in der Lotto Bayern Zentrale in München begrüßt und beglückwünscht, hat die NRW-Dependance Westlotto eigens hauptberufliche Gewinnerbetreuer, die die Glücklichen auch zu Hause aufsuchen.

Großgewinne: Keine ungewollte Aufmerksamkeit in der Annahmestelle

Insgesamt gilt: Wer einen hohen Betrag gewinnt, muss sich in der Annahmestelle keine Sorgen über zu viel Aufmerksamkeit machen. Gewinnsummen ab 5.000 Euro werden dem Personal pauschal als „Großgewinne“ angezeigt, die Verifizierung erfolgt dann via Lotteriegesellschaft, die der Spieler selbst kontaktieren muss. Hier wird die Echtheit des Scheins geprüft. Westlotto-Sprecher Axel Weber:

Unsere Mitarbeiter kennen alle Tricks und klare Betrugsversuche bringen wir zur Anzeige.

Ob ein Gewinner mit einem Gewinnbetreuer sprechen möchte, ist ihm selbst überlassen. Für viele bedeutet das Gespräch nach Tagen banger Anspannung aber eine große Erleichterung und die Chance, Antworten auf einige Fragen zu erhalten: Kaufe ich mir sofort einen Lamborghini (lieber nicht) oder eher einen Mittelklassewagen (schon eher)? Schmeiße ich eine große Party (kommt ganz drauf an) oder direkt meinen Job (alles zu seiner Zeit)? Und vor allem: Wem erzähle ich von meinem Glück und wie erkläre ich neue Anschaffungen?

Diskretion ist das A und O

Generell raten die Gewinnbetreuer zu strikter Diskretion: Zwar herrsche zunächst oft Freude im Umfeld des Gewinners, zu oft schlage diese aber schnell in Neid und Missgunst um. Nicht selten litten Menschen, die große Gewinne öffentlich machten, in der Folge unter einer Flut von Bettelbriefen, hämischen Kommentaren und aufdringlichen Anlageberatern. Der Tipp der Betreuer:

Wer in Ruhe weiterleben will, muss seinen Gewinn geheim halten.

Tatsächlich muss dies aber nicht jedem Neu-Millionär erst erklärt werden, wie ein Gewinnbetreuer aus NRW zu berichten weiß. Einer seiner Gewinner wünschte ein Treffen an einer Autobahnraststätte: Er wollte den Gewinn vor seiner Ehefrau geheim halten.

Was Großgewinner beachten sollten:

Das Glück für sich behalten! Abgesehen von Partnern oder erwachsenen Kindern sollte zunächst niemand von großen Gewinnen erfahren. Bittsteller, falsche Freunde und angebliche Berater wird man nur schwer wieder los.

Auf die eigene Sicherheit achten! Nicht selten locken große Gewinne auch das Verbrechen an. Großgewinner sollten auf die Wahrung ihrer Anonymität achten, um nicht ins Visier der organisierten Kriminalität zu geraten.

Kein Verprassen des Gewinns! Trotz einiger Negativbeispiele verprassen nur wenige Gewinner binnen kurzer Zeit große Summen. Das ist auch nicht nötig, denn vernünftig angelegt bringt schon eine Summe von einer Million mit einem Zinssatz von 5 % jedes Jahr 50.000 Euro.

Vernünftigen Lebensstil beibehalten! Auch als neuer Millionär ist es sinnvoll, sich weiterhin Gedanken um die eigene finanzielle Sicherheit und Zukunft zu machen. Auch wenn die Aufgabe des Berufes sehr lockt, lohnt es sich, weiterhin über eine Absicherung nachzudenken. Auch große Beträge können schneller schmelzen, als man denkt.

Professionelle Beratung! Wer zu viel Geld kommt, wird sich vor Angeboten, hohe Summen gewinnbringend anzulegen, kaum retten können. Wichtig ist, sich nicht der Gier und somit riskanten Geschäften hinzugeben und auch im Umgang mit seriösen großen Finanzinstituten alles in Ruhe zu prüfen und ggf. zweite und dritte professionelle Meinungen einzuholen.

Meist endet der Einsatz der Gewinnbetreuer nach circa einer Woche. Dann ist das Geld überwiesen, manchmal besteht der Kontakt zwischen Gewinner und Betreuer aber auch länger. Schließlich ist der Berater nicht selten der erste und zumindest vorläufig einzige Mensch, dem sich der oder die Glückliche anvertraut.

33 Millionen mit dem ersten Schein

ausgefüllter Lottoschein

Klassischer deutscher Lottoschein: Die Eintrittskarte zum ganz großen Glück? (Quelle: Lottoschein by lamhere is licebsed under cc by 3.0)

Besonders gern erinnert sich Lotto-Betreuer Holmer aus München an den bayrischen Rekordgewinn im Jahr 2015. Drei Handwerker hatten gemeinsam zum ersten Mal Lotto gespielt und direkt über 33 Millionen Euro gewonnen. In der Folge kaufte einer der drei sich einen VW-Bus und war mit seinem Surfbrett über alle Berge. Der zweite rettete seinen unter einer Schuldenlast ächzenden Betrieb und der dritte entschied, nur noch für Kunden zu arbeiten, die ihm sympathisch waren.

Der Traum der meisten Durchschnittsbürger ist es, den Lotto-Jackpot zu knacken, um ein sorgenfreies Leben zu führen. Dass es nicht das Geld allein ist, das glücklich macht, wird den Betreuern aber auch immer wieder vor Augen geführt: Ein älterer Mann, der einen hohen Gewinn gemacht hatte, begann beim Besuch eines Westlotto-Mitarbeiters bitterlich zu weinen: Seine Frau war kürzlich verstorben, er selbst lebte mit einer Krebsdiagnose.

„Sehr glückliche Leute“

Menschen bei ihren ganz großen Gewinnen zur Seite zu stehen, kann schön, tragisch und auch manchmal absurd sein. Lotto-Betreuer Holmer, der eigentlich mal Deutsch und Geschichte auf Lehramt studiert hatte und nur zufällig in seinen Beruf geriet, kann sich aber keinen besseren vorstellen:

Das Schönste an meinem Beruf ist, dass ich zu über 99 Prozent mit sehr glücklichen Leuten zusammen bin.