Oscar Isaac als William Tell im Film "The Card Counter" von Paul Schrader (Bild: Weltkino Filmverleih).

The Card Counter: 10 Gründe warum Kartenzählen im Casino nicht wie im Film ist

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Kartenzählen bezeichnet die Taktik, sich bei einem Kartenspiel die abgelegten oder gespielten Karten zu merken. Vor allem beim Glücksspiel Blackjack kann ein Spieler durch Kartenzählen einen Vorteil erlangen, wenn eine Aussage über die verbleibenden hohen oder niedrigen Karten im Stapel möglich ist. Casinos unterbinden dieses Vorgehen durch mehrere Kartenpakete im Schlitten und das frühe Abschneiden des Stapels.

Trotzdem hält sich das Bild vom gewieften Kartenspieler, der mit fast schon übermenschlicher Gabe Karten zählt und Casinos ausnimmt. Das liegt unter anderem an einigen bekannten, realen Fällen, aber auch an erfolgreichen Filmen, die das Kartenzählen auf der Leinwand in Szene setzen. Da die allermeisten Spieler damit aber keinen Erfolg haben, geben wir 10 gute Gründe, warum sich das Kartenzählen eben nicht lohnt, im Gegensatz zu dem, was uns die Hollywood-Streifen erzählen.

 
 
 
 
 
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Großes Hollywood Kino: Warum Kartenzählen auf der Leinwand so eindrucksvoll ist

Immer wieder waren Spieler wie Zeljko Ranogajec mit dem Kartenzählen beim Blackjack erfolgreich. Einer der bekanntesten Fälle ist die Geschichte des MIT Blackjack Teams. Diese Gruppe von Studenten und Mitarbeitern am Massachusetts Institute of Technology war von 1979 bis ins nach der Jahrtausendwende mit ihrer Methode des Kartenzählens erfolgreich und räumten in Las Vegas und Casinos rund um die Welt ab.

Gleich zwei Filme haben die Geschichte des MIT Blackjack Teams auf der Leinwand festgehalten. The Last Casino von Pierre Gill erschien im Jahr 2004 mit Charles Martin Smith, Katharine Isabelle und Kris Lemche in den Hauptrollen. Noch bekannter ist 21 von Robert Luketic aus dem Jahr 2008 mit Kevin Spacey in der Hauptrolle.

Doch auch wenn beide Filme auf der wahren Geschichte beruhen, so handelt es sich dennoch um eine Dramatisierung. Das bedeutet, dass es im Film zu Auslassungen kommt, zu dramatischer Steigerung und überspitzten Situationen, die besonders starke Spannung erzeugen und uns als Zuschauer mit den Figuren mitfiebern lassen.

The Card Counter: Mehr als nur Kartenzählen

The Card Counter ist der neueste Casino Film aus Hollywood, der das Kartenzählen im Casino thematisiert. William Tell (gespielt von Oscar Isaac) saß zehn Jahre im Knast und hat dort die Kunst des Kartenzählens perfektioniert. Nach seiner Entlassung heuert ihn La Linda (gespielt von Tiffany Haddish) an, die einen ganzen „Stall” von kartenzählenden Spielern unterhält und die Einsätze vorstreckt.

The Card Counter kommt am 3. März 2022 in die deutschen Kinos. Regie und Drehbuch stammen von Paul Schrader, der schon das Drehbuch zu Taxi Driver lieferte. Schrader hat ein Händchen für Einzelgänger-Protagonisten und Antihelden und schon bald wird klar, dass mehr auf dem Spiel steht als Blackjack- und Poker-Gewinne. The Card Counter ist ein Racheplot und stellt die existenzielle Frage nach der Moral: Was ist Gerechtigkeit, wenn William Tell Wiedergutmachung sucht oder seine dunkle Vergangenheit ruhen lässt?

Auch andere Hollywood-Produktionen setzen das Kartenzählen als wirksamen Effekt und wichtiges Handlungselement ein. In Rain Man von Barry Levinson aus dem Jahr 1988 hat der Autist Raymond Babbitt (gespielt von Dustin Hoffman) eine mathematische Begabung. Sein Bruder Charlie (gespielt von Tom Cruise) weiß dies am Blackjack-Tisch zu seinem Vorteil einzusetzen und kann sich seiner Schulden entledigen. Auf der Leinwand geht es aber eigentlich darum, dass Charlie am Ende die Beziehung zu seinem Bruder wichtiger ist als die Geldsorgen.

Auch in Stacy’s Knights (deutscher Titel: „Gewagtes Spiel”) von Jim Wilson aus dem Jahr 1983 ergänzt die Beziehung zwischen Stacy Lancaster (gespielt von Andra Millian) und ihrem Spieltisch- und Bett-Partner Will Bonner (gespielt von Kevin Costner) die Casino-Handlung.

Warum Kartenzählen im Kino nicht so wie in echt ist

Selbst bei der Poker Weltmeisterschaft gibt es immer wieder Gähn-Momente am Spieltisch. Einen Spannungsbogen nur mit Blackjack-Kartenzählen aufzubauen und zu halten mag vielleicht gelingen, spricht aber garantiert kein Massenpublikum an. Selbst die Verfilmungen der MIT Blackjack Team Geschichte bedienen sich weiterer Elemente, um die Spannung zu erhöhen und Druck auf die Figuren aufzubauen.

In den tatsächlichen Szenen am Spieltisch haben die Filmemacher alle Mittel und Freiheiten, um die Momente zu inszenieren: Nahaufnahmen zeigen Schweißperlen auf der Stirn, fetzige Dialogzeilen steigern die Coolness des Helden und in Realität unwahrscheinliche Spielsituationen ergeben sich mal eben so, wenn es um alles oder nichts gehen muss.

Dabei werden viele Aspekte ausgeblendet: Kartenzählen beim Blackjack erfordert strenge Disziplin, zerstört größtenteils den eigentlichen Spaß des Spielers, funktioniert nur mit entsprechendem Budget und Team und bedeutet einen ständigen Wettlauf gegen die Casinos.

Was ist Kartenzählen genau?

Kartenzählen ist die Berechnung von Wahrscheinlichkeiten für die nächste Karte, die in einem Glücksspiel gezogen wird. Beim Poker spricht man von „Outs“, wenn man Aussagen über die mögliche Vervollständigung der eigenen Handkarten trifft. Der Pokerspieler trifft dazu aber aufgrund des Boards und des Setzverhaltens der anderen Spieler Annahmen über deren Hole Cards. Ansonsten beeinflusst beim Poker eine Runde nicht die nächste, da alle Karten neu gemischt werden.

Beim Blackjack werden die abgelegten Karten jedoch nicht sofort wieder in den Stapel gemischt. Die Anzahl und die Möglichkeiten für die aufgedeckten Karten nehmen also ständig ab. Wer als Spieler aufpasst und die Karten „zählt“, kann zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit sagen, ob beim Blackjack als nächstes eine hohe oder niedrige Karte kommt und entsprechend seinen Einsatz anpassen.

10 Gründe die gegen das Kartenzählen im Casino sprechen

Die Realität am Spieltisch ist eben doch anders als im Kino. Diese Argumente sprechen gegen das Blackjack Kartenzählen im Casino.

Spielszene am Blackjack Tisch mit zwei Männdern in Anzügen.

Blackjack wird an einem halbrunden Tisch gespielt. Links im Bild: der Kartenschlitten. Die rote Plastikkarte gibt an, wann der Stock abgeschnitten wird (Bild: quinonesnaomy / Pixabay).

1. Kartenzählen garantiert keine Gewinne

Es ist nicht so, dass Kartenzählen beim Blackjack ein Trick ist, den man einfach lernen muss, um dann garantierte Gewinne einstreichen zu können. Blackjack hat ohnehin schon einen geringen Hausvorteil, je nach Variante unter Umständen sogar den geringsten Bankvorteil der Casino Spiele überhaupt. Das Kartenzählen gibt dem Spieler nur ein kleinen Extravorteil.

Es kann am Spieltisch aber auch passieren, dass der Spieler fleißig mitzählt und sich die Zahl der Karten im Schlitten verringert, die Chance für den großen Vorteil sich aber nie einstellt, bis der Dealer einen neuen Schlitten anfängt. Vereinfacht gesagt müssen in der ersten Hälfte mehr hohe oder niedrige Karten gezogen werden, damit sich irgendwann in der zweiten Hälfte daraus ein Vorteil ergeben kann. Die typische Gewinnrate eines kartenzählenden Spielers ist 50-50, alle anderen Faktoren außer acht gelassen.

2. Nicht alle Blackjack Varianten eignen sich fürs Kartenzählen

Viele Blackjack Varianten haben Regeln, die den Spieler benachteiligen, etwa durch eine Blackjack-Auszahlung von 6:5 oder Vorgaben, wann der Dealer eine weitere Karte zieht.

Dazu kommen Bestimmungen, wann ein neuer Spieler an den Tisch darf. Manche Casinos verhindern, dass ein Spieler „mitten im Kartenschlitten” einsteigt. Dies erschwert Kartenzählern die Zusammenarbeit im Team. Das MIT Blackjack Team beispielsweise ließ die Einsätze von Neulingen am Tisch platzieren, wenn die Bedingungen günstig waren.

Kartenzähler müssen also erst lange Zeit nach einem geeigneten Spieltisch suchen, bevor sie mit ihrem Handwerk loslegen können.

3. Die Gewinnspanne ist gering

Als Einzelspieler gibt es beim Blackjack nicht viel zu gewinnen, selbst wenn man Karten zählt. Unter günstigen Bedingungen, etwa wenn der Dealer bei Soft-17 stehenbleiben muss und der Kartenstoß erst spät abgeschnitten wird, gewinnen Spieler im Schnitt weniger als 30 € pro 100 gespielte Hände.

Durch Regelvarianten und Dealer-Vorgaben sinkt dieser Wert schnell weiter ab. Bei circa 60 gespielten Händen pro Stunde bringen es Kartenzähler oft nur auf einen Stundenlohn von 10 € oder weniger!

4. Kartenzählen macht keinen Spaß

Der durchschnittliche Spieler will sich im Casino auch amüsieren und Spaß haben. Kartenzählen ist da absolut kontraproduktiv. Der Spieler muss Zeit in die Wahl von Casino und Spieltisch investieren, häufige Casino-Wechsel in Kauf nehmen, sich am Spieltisch verstellen und mit strenger Disziplin vorgehen. Das hört sich nach allem anderen als nach Spaß an.

5. Kartenzählen ist schwerer als gedacht

Die Grundregeln von Blackjack sind leicht zu lernen, aber zum erfolgreichen Spieler ist es ein weiter Weg. Kartenzählen ist eine Kunst, die noch mehr Investition erfordert. Mehrere Faktoren beeinflussen die Spielweise: die Regeln der Blackjack Variante, die Blackjack Strategie, das Verhalten des Dealers (Abschneiden des Kartenstocks) und das System des Kartenzählens.

Allein für die Blackjack Strategie gibt es Hunderte verschiedener Entscheidungssituationen. Dazu kommen das Kartenzählen und die Berechnung der Wahrscheinlichkeiten im Kopf. Letztlich muss der Spieler auch innerhalb kürzester Zeit entscheiden, ob jetzt der Moment für einen hohen Einsatz günstig ist.

6. Das Benehmen am Spieltisch spielt eine Rolle

Grundsätzlich kann jeder einen Blackjack Spieltisch beobachten, aber wer ewig starrt und auf einmal darauf brennt, sofort in das Spiel einzusteigen, macht sich sofort verdächtig. Wer beim Blackjack Karten zählen will, muss als aktiver Spieler am Tisch sitzen und sich entsprechend benehmen.

Der Kartenzähler muss ständig die Fassade aufrecht erhalten, dass er eigentlich Geld verliert und keine Ahnung hat. Der Spieler muss sich verstellen und am besten mit dem Dealer gut stellen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Dieser große Aufwand findet in der Atmosphäre eines Casinos statt, das auf Schritt und Tritt darauf ausgerichtet ist, Spieler abzulenken und die Sinne zu täuschen.

7. Kartenzählen erfordert ein großes Budget

Trotz des Vorteils, den das Kartenzählen bringt, können Verluste an der Tagesordnung stehen. Um beim Blackjack langfristig ein Vermögen zu gewinnen, müssen selbst gewiefte Spieler schon ein entsprechendes Budget mitbringen. Das MIT Blackjack Team startete beispielsweise mit knapp 90.000 US-Dollar! Selbst im Film The Card Counter verlässt sich der Protagonist auf seine Geldgeberin, die das Kapital zur Verfügung stellt.

8. Casinos gehen gegen Kartenzähler vor

Kartenzählen an sich ist nicht illegal. Aber Casinos behalten sich das Recht vor, Karten zählende Spieler mindestens des Tisches zu verweisen, weil sie sich den anderen gegenüber einen Vorteil verschaffen. Nicht nur der Dealer am Tisch hat ein Auge auf potenzielle Kartenzähler, auch Hausdetektive und Aufseher beobachten das Geschehen.

Zusätzliche Maßnahmen verringern die Chancen weiter: Casinos bevorzugen Blackjack Varianten, die ungünstig für den Trick des Kartenzählens sind. Beim Blackjack befinden sich mindestens sechs Decks an Spielkarten im Schlitten und es ist durchaus üblich, den Stoß sehr früh abzuschneiden, etwa kurz nach der Hälfte.

9. Die Auswahl an Casinos ist klein

Es ist nicht so, dass ein Spieler nur einmal um den Block laufen muss, um einen geeigneten Blackjack Spieltisch fürs Kartenzählen zu finden. Casinos stehen in Deutschland nicht gerade an jeder Ecke. Selbst die größten Spielstätten hierzulande haben nur eine beschränkte Anzahl an Blackjack Tischen und bieten das Kartenspiel nicht rund um die Uhr an. Ein ambitionierter Kartenzähler muss also unter Umständen lange Wege auf sich nehmen, um nicht immer am selben Tisch aufzutauchen und Verdacht zu erregen. Das Reisen ist nicht nur ein zeitlicher Aufwand, sondern auch ein Kostenfaktor. Und ist ein Kartenzähler erst einmal in einem Casino gesperrt, schrumpft die Zahl der verfügbaren Spielbanken zusätzlich.

10. Kartenzählen funktioniert nur im Team

Das berühmte MIT Blackjack Team arbeitete mit sogenannten „Spottern“, also Spielern, die am Tisch die Karten zählten und ansonsten einfach nur kleine Einsätze spielten. Standen die Chancen gut, gaben sie heimlich einem anderen Spieler ein Zeichen, der dann die hohen Einsätze tätigte und den Gewinn einstrich.

Erfolgreiches Kartenzählen ist im Team wesentlich leichter zu bewerkstelligen als allein, jedoch schmälert dies auch die Gewinne. Ein Team fällt außerdem schneller auf, sobald ein Casino auf die verdeckte Kommunikation aufmerksam wird. Regeln können verhindern, dass ein weiterer Spieler schnell an den Blackjack-Tisch gelangt.

Kein Blackjack Spieler sollte sich von diesen 10 Gründen aber die Lust am Kartenspiel verderben lassen. Im Gegenteil, wer aufs Kartenzählen verzichtet, kann sich immer noch auf eine Blackjack Strategie konzentrieren oder einfach abwechslungsreichere Partien genießen. Lust auf mehr Details zum spannenden Kartenspiel? Wir empfehlen die besten Blackjack Bücher und Filme!

Quellen:

  • https://www.weltkino.de/filme/the-card-counter
  • https://mikeaponte.com/mit_blackjack_team/
  • https://www.imdb.com/title/tt11196036/
  • https://de.wikihow.com/Karten-z%C3%A4hlen
  • https://www.quora.com/How-realistic-is-the-card-counting-seen-in-movies
  • https://www.rottentomatoes.com/m/the_card_counter
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SpieleCasinosBlackjackFilmeKartenspieleKartenzählen
Jakob Straub
Jakob Straub Casino Experte

Buchautor und Branchenexperte Jakob schreibt seit 5 Jahren für CasinoOnline.de

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